Normenkette
FamFG § 86 Abs. 2, § 89 Abs. 2, § 94; EGStGB Art. 6 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Haldensleben (Beschluss vom 16.05.2022; Aktenzeichen 16 F 673/21 SO) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Kindeseltern wird der eine Ordnungsmittelanordnung und einen Haftbefehl enthaltende, als Haftbefehl bezeichnete Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Haldensleben - Zweigstelle Wolmirstedt - vom 16.05.2022 aufgehoben.
Gerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
I. Mit Schriftsatz vom 25.10.2021 (Bl. 1 ff. d. A.) hat der Landkreis B. - Jugendamt - beim Amtsgericht Haldensleben eine "Mitteilung nach § 1666 BGB mit Bitte um Termin zur Anhörung" eingereicht, da das Kind E. schulpflichtig sei, jedoch bisher die Grundschule W. nicht besuche. Mit Schriftsatz vom 01.12.2021 teilte der Kindesvater dem Amtsgericht mit, dass er wegen bevorstehender Abmeldung des Wohnsitzes ins Ausland zu einem auf den 03.12.2021 anberaumten Anhörungstermin beim Amtsgericht nicht erscheinen werde; die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Kindesmutter war bereits zuvor aufgehoben worden. Zum Termin am 03.12.2021 ist niemand erschienen; das Amtsgericht hat in Aussicht gestellt, das Verfahren aufgrund des Verweigerungsverhaltens der Kindeseltern zunächst schriftlich weiter zu treiben (Bl. 58 f. d. A.).
Im Wege der einstweiligen Anordnung ist den Kindeseltern mit Beschluss vom 21.01.2022 (Bl. 68 ff. d. A.) wegen Dringlichkeit ohne mündliche Erörterung, gestützt auf § 1666 Abs. 3 BGB, aufgegeben worden, sofort ihr Kind E. in die Grundschule W. zur Beschulung zu bringen. Die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung ist angeordnet worden. Bei der Verfahrensakte befinden sich zwei Zustellungsurkunden mit dem Inhalt, dass die Beschlussausfertigung vom 21.01.2021 dem Kindesvater und der Kindesmutter unter der Anschrift M. Straße, W., jeweils am 26.01.2022 durch Einlegen in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung zugestellt worden sei.
Mit Schriftsatz vom 15.03.2022 (Bl. 76 d. A.) hat der Landkreis B. - Jugendamt - dem Amtsgericht mitgeteilt, den Kindesvater am 12.03.2022 bei einem Einsatz im Haushalt der Familie H. in W. angetroffen zu haben. Das Jugendamt hat angezweifelt, ob sich die Familie wirklich im Ausland aufhalte; in den Reisepässen befänden sich keine Vermerke betreffend einen Auslandsaufenthalt. Daraufhin hat das Amtsgericht einen Anhörungs- und Erörterungstermin auf den 06.04.2022 anberaumt (Bl. 77 f. d. A.). Das persönliche Erscheinen des Kindesvaters, der Kindesmutter und des Kindes E. ist angeordnet worden. Bei der Akte befinden sich zwei Zustellungsurkunden, betreffend die Ladung zum 06.04.2022, mit dem Inhalt "Empfänger unbekannt verzogen".
Beim Anhörungs- und Erörterungstermin am 06.04.2022 sind weder die Kindesmutter, noch der Kindesvater, noch E. erschienen.
Mit Beschluss vom 12.04.2022 (Bl. 108 ff. d. A.) hat das Amtsgericht wegen Dringlichkeit ohne mündliche Erörterung den Kindeseltern im Wege der einstweiligen Anordnung die elterliche Sorge für J. H., E. H., P. H. und T. H. vorläufig entzogen und Herrn C. K. als Vormund übertragen.
Mit weiterem Beschluss vom 12.04.2022 (Bl. 102 ff. d. A.) hat das Amtsgericht wegen Dringlichkeit im Wege der einstweiligen Anordnung ohne mündliche Erörterung angeordnet, dass die Kinder E. H., J. H., T. H. und P. H. an das Jugendamt des Landkreises B. und den Vormund herauszugeben sind. In dieser Entscheidung ist auch geregelt, dass die Vollstreckung der einstweiligen Anordnung vor der Zustellung an die Herausgabepflichtigen zulässig ist. Eine Zustellung ist ausweislich eines Berichts der Gerichtsvollzieherin A. N. vom 12.05.2022 (Bl. 122/122 R d. A.) nicht erfolgt.
Am 16.05.2022 ist gegen die Kindeseltern ein als Haftbefehl bezeichneter Beschluss (Bl. 126 f. d. A.) ergangen, der eine Ordnungshaftanordnung wegen Nichterfüllung der Verpflichtung zur Herausgabe der Kinder enthält und zudem zur Vollstreckung dieser Ordnungshaftanordnung einen Haftbefehl.
Nach Einsichtnahme in die Verfahrensakte durch den jetzigen Verfahrensbevollmächtigten der Kindeseltern haben diese gegen den Beschluss vom 16.05.2022 mit am 13.06.2022 beim Oberlandesgericht Naumburg eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 20.06.2022 (Bl. 175 d. A.) hat das Amtsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akte dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 87 Abs. 4 FamFG i.V.m. §§ 567, 569 ZPO zulässig; die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde ist gewahrt, da der Beschluss vom 16.05.2022, der die Ordnungshaftanordnung und den Haftbefehl enthält, den Kindeseltern bei Einreichung der sofortigen Beschwerde noch nicht zugestellt war und die Kindeseltern erst durch die am 13.06.2022 erfolgte Akteneinsicht ihres Verfahrensbevollmächtigten Kenntnis von dem Haftbefehl erhalten haben.
Die soforti...