Verfahrensgang

LG Stendal (Beschluss vom 11.09.2014; Aktenzeichen 21 O 99/13)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den im Beschluss der Zivilkammer 1 des LG Stendal vom 11.9.2014 angeordneten rückwirkenden Entfall des Anspruchs auf Vergütung wird zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Im Ausgangsverfahren nimmt der Kläger die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch. Dies stützt er darauf, dass er durch die Ärzte der Beklagten fehlerhaft behandelt worden sei. Die Versorgung einer am 10.9.2011 erlittenen Unfallverletzung des Klägers sei unzureichend gewesen, weil der Abriss einer Sehne des fünften Fingers der rechten Hand übersehen worden sei. Aus der unterbliebenen operativen Versorgung dieser Läsion sei dem Kläger dauerhafter Körperschaden in Form eingeschränkter Beweglichkeit der rechten Hand und wiederkehrender Schmerzen entstanden.

Das LG hat den Beschwerdeführer mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Unter dem 31.3.2014 nahm der Beschwerdeführer schriftlich zu Fragen der Prozessbevollmächtigten des Klägers Stellung, die der Auseinandersetzung mit dem vorangegangenen Gutachten des Beschwerdeführers vom 29.12.2013 (Bl. 101 ff. GA I) gewidmet waren. Auf die vorbezeichnete Stellungnahme (Bl. 156 ff. GA I) wird verwiesen.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 11.9.2014 (Bl. 192 ff. GA I) hat die vollbesetzte Zivilkammer 1 des LG Stendal das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen den Beschwerdeführer für begründet erklärt. Ferner hat die Kammer ausgesprochen, dass der Anspruch des Sachverständigen auf Vergütung rückwirkend entfalle.

Das LG hat ausgeführt, dass die Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 31.3.2014 das berechtigte Misstrauen an seiner Unparteilichkeit wecke. Der Beschwerdeführer sei der ihm obliegenden Verpflichtung, das Gutachten zu erstatten, nicht ausreichend nachgekommen. Er habe es abgelehnt, einen Teil der Fragen des Klägers, die aus seiner Sicht nicht zur weiteren Klärung des Sachverhalts beitrügen, zu beantworten. Diese Vorgehensweise stehe der Verweigerung des Gutachtenauftrages gleich. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer das Gebot, stets Objektivität und strenge Sachlichkeit zu wahren, verletzt. Dazu gehöre, dass ein Sachverständiger auf Kritik, die ihm entgegen gebracht wird, sachlich reagiert. Die Äußerung des Beschwerdeführers, er sei nicht bereit hinzunehmen, "dass ein Rechtsanwalt, der seine Expertise in keinster Weise bewerten könne, diese in Zweifel ziehen dürfe", stehe mit diesen Prinzipien nicht im Einklang. Dem Beschwerdeführer sei der Vergütungsanspruch gem. § 413 ZPO i.V.m. § 8a Abs. 2 JVEG abzusprechen, da er durch seine unsachliche und übersteigerte Reaktion zumindest grob fahrlässig einen Grund für die Ablehnung geschaffen habe.

Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer. Er vertritt die Ansicht, dass seine beanstandete Stellungnahme die Besorgnis der Befangenheit nicht begründe. Dazu vertritt er die Ansicht, die Prozessbevollmächtigten des Klägers hätten keine objektiv-kritischen Fragen an ihn gerichtet sondern polemische Anschuldigungen in den Vordergrund gestellt. Es sei nicht gerechtfertigt, die Vergütung abzuerkennen, da die gutachterliche Leistung zunächst von den Vorwürfen, die der Prozessbevollmächtigte des Klägers nachträglich erhoben habe, unbeeinträchtigt gewesen sei.

Das LG hat der Beschwerde durch Beschluss vom 14.11.2014 (Bl. 25 GA II) nicht abgeholfen und die Sache dem OLG vorgelegt.

II. Die angefochtene Entscheidung enthält mit der Aberkennung der Vergütung eine gerichtliche Festsetzung i.S.d. § 4 Abs. 1 JVEG. Dagegen ist gem. § 4 Abs. 3 JVEG die Beschwerde statthaft, die der Beschwerdeführer in zulässiger Form eingelegt hat.

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Die vom LG ausgesprochene Aberkennung der Vergütung beruht auf § 8a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 JVEG. Danach erhält der Sachverständige eine Vergütung nur insoweit, als seine Leistung bestimmungsgemäß verwertbar ist, wenn im Rahmen der Leistungserbringung grob fahrlässig oder vorsätzlich Gründe geschaffen hat, die einen Beteiligten zur Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit berechtigen. Dies kann dazu führen, dass der Vergütungsanspruch gänzlich aberkannt wird.

Die begründete Ablehnung des Sachverständigen und die hierdurch bedingte Unverwertbarkeit des Gutachtens führen dann zur Vernichtung des Vergütungs-oder Entschädigungsanspruchs des Sachverständigen, wenn dieser den Ablehnungsgrund verschuldet hat. Bei einem erst im Verlauf des Verfahrens entstandenen Ablehnungsgrund kommen allerdings nur Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit in Betracht (vgl. OLG Nürnberg vom 6.2.2007 zu 2 W 192/07, zitiert nach juris, Rz. 6, m.w.N.). Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die verkehrsübliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt wurden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (Grüneberg, in Palandt, BGB, 74. Aufl., ...

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