Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtliche Qualifizierung des an ein volljähriges Kind gezahlten staatlichen Kindergeldes
Leitsatz (amtlich)
Grundsätzlich ist Kindergeld Einkommen im Sinne des Sozialhilferechts. Ist das Kind jedoch volljährig hat es einen - zivilrechtlichen - Anspruch auf Auskehrung des Kindergeldes in voller Höhe, da es auch insoweit auf den Unterhalt angerechnet wird.
Normenkette
ZPO §§ 114-115
Verfahrensgang
AG Stendal (Beschluss vom 18.12.2009; Aktenzeichen 5 F 393/04) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG - Familiengerichts - Stendal vom 18.12.2009 in der Fassung vom 6.2.2009 ersatzlos aufgehoben.
Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zugelassen.
Gründe
Der Antragstellerin war durch Beschluss vom 31.8.2004 für das Ehescheidungsverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden.
Im Zuge der Einkommensüberprüfung hat das AG durch Beschluss vom 18.12.2008 diesen Beschluss abgeändert und der Antragstellerin aufgegeben, auf die bewilligte Prozesskostenhilfe ab dem 15.1.2009 monatliche Raten i.H.v. 135 EUR zu zahlen. Durch Beschluss vom 6.2.2009 hat es auf die Beschwerde der Antragstellerin die Ratenhöhe auf 115 EUR herabgesetzt und die Sache wegen Nichtabhilfe im Übrigen vorgelegt.
Die Beschwerde ist zulässig (§ 127 Abs. 4 ZPO; sie ist sachlich auch gerechtfertigt, denn der angefochtenen Entscheidung kann nicht beigetreten werden.
Die Antragstellerin erhält Arbeitslosengeld von monatlich 846,90 EUR. Dieses Einkommen erhöht sich nicht durch das Kindergeld. Denn das ist hier entgegen der Auffassung des AG im Rahmen der Prozesskostenhilfe nicht als Einkommen der Antragstellerin anzusehen.
Zwar ist richtig, dass im Sozialhilferecht der Grundsatz gilt, dass Kindergeld zum Einkommen derjenigen Person zählt, an die es ausbezahlt wird. Das ist eindeutig die Antragstellerin. Allerdings ist das Kind bereits volljährig, denn es wurde am 1.11.1989 geboren.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist das Kindergeld in vollem Umfange auf dessen Unterhaltsbedarf, den es insoweit deckt, anzurechnen. Der Barunterhalt vermindert sich durch das Kindergeld. Deswegen besteht ein (zivilrechtlicher) Anspruch des Kindes auf Auskehr des Kindergelds.
Angesichts dieser Bedarfsdeckung und des Auskehranspruchs kann hier bei der Ermittlung des Einkommens das Kindergeld nicht als Einkommen der Antragstellerin angesehen werden.
Das sieht auch das Bundessozialgericht so und führt aus:
"... Das Kindergeld ist Teil des elterlichen Einkommens, den diese zur Existenzsicherung ihres Kindes benötigen und bezweckt eine entsprechende Freistellung eines Einkommensbetrages (vgl. § 31 Abs. 1 EStG). Es wird daher bestimmungsgemäß verwendet, wenn es von dem Elternteil an sein volljähriges, außerhalb des Haushalts wohnendes Kind weitergeleitet wird, weil es typisierend gewährt wird, um Unterhaltslasten ggü. den Kindern zu erleichtern. Dementsprechend hat der BGH (BGH) bereits mehrfach entschieden, dass das Kindergeld auf den Unterhaltsbedarf des volljährigen Kindes in vollem Umfang anzurechnen ist und das volljährige Kind neben dem hierdurch verminderten Barunterhalt die Herausgabe des Kindergeldes verlangen kann. Der Anspruch auf Auskehr des Kindergeldes gewährleistet, dass das Kindergeld immer erst für den Unterhaltsbedarf verwendet werden muss, damit einer Gefährdung des Existenzminimums des Kindes entgegen gewirkt wird (vgl. FamRZ 2007, 542 [545]; BGHZ 164, 375 [385]).
Dem tragen auch die Regelungen des § 74 Abs. 1 EStG sowie des § 48 Abs. 1 SGB I (für Kinder, für die Kindergeld nach dem BKGG gezahlt wird) Rechnung. Danach kann das für ein Kind festgesetzte Kindergeld an das Kind ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt oder wenn der Kindergeldberechtigte mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist oder nur Unterhalt in Höhe eines Betrages zu leisten braucht, der geringer ist als das für die Auszahlung in Betracht kommende Kindergeld. Unabhängig von der Zuordnung des Kindergeldes als Einkommen zeigen diese Regelungen, dass das Kindergeld letztlich dem Kind zu Gute kommen soll und eine Weiterleitung durch den Kindergeldberechtigten die durch § 74 Abs. 1 EStG bzw. § 48 Abs. 1 SGB I dokumentierte Vorstellung des Gesetzgebers verwirklicht. Von einer Weiterleitung in diesem Sinne kann allerdings nur gesprochen werden, wenn diese zeitnah innerhalb eines Monats nach Auszahlung oder Überweisung des Kindergeldes erfolgt. Dies rechtfertigt sich zum einen aus der Anlehnung an die Abzweigungsregelung, verbunden mit dem Sinn und Zweck des Kindergeldes, vorrangig den Unterhaltsbedarf des erwachsenen Kindes zu decken, sowie aus der zeitabschnittsweise jeweils für den Monat erbrachten Grundsicherungsleistung. Wird das Kindergeld nicht innerhalb eines Zeitmonats weitergeleitet, ist die Annahme, es stehe dem Bedürftigen tatsächlich nicht zur Verfügung, nicht mehr gerechtfertigt.
Entgegen der...