Leitsatz (amtlich)
1. Die Kindesanhörung "soll" nach dem Wortlaut des Gesetzes lediglich in Anwesenheit des Verfahrensbeistands stattfinden. Dies bedeutet, dass dem Verfahrensbeistand zwar ein "Recht" auf Teilnahme an der persönlichen Anhörung zusteht und er zum Anhörungstermin zu laden ist, aber keine "Pflicht" zur Beteiligung des Beistands an der Anhörung besteht, falls dieser von seinem Recht ersichtlich keinen Gebrauch zu machen beabsichtigt; allein bei "unfreiwilliger Abwesenheit" des Verfahrensbeistands ist die Anhörung zu vertagen und zu wiederholen, anderenfalls das gerichtliche Verfahren zu beanstanden ist.(Rz. 19)
2. In Sorgerechtssachen (§ 1671 BGB) besteht ein "dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden", wenn ein Elternteil das Kind aus dessen gewohnter Umgebung herausgenommen hat, denn damit ist jedenfalls bei kleineren Kindern regelmäßig eine Kindeswohlbeeinträchtigung verbunden, so dass die Eingriffsschwelle der Bestimmung zu § 49 Abs. 1 FamFG erreicht ist. Durch eine einstweilige Anordnung ist dann der vorläufige weitere Aufenthalt der Kinder in ihrer bisherigen gewohnten Umgebung anzuordnen, weil das Kindeswohl dadurch gefährdet ist, dass ein Elternteil den dauerhaften gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes ohne Abstimmung mit dem anderen Elternteil einseitig aufgehoben hat, und eine Verfestigung der Verhältnisse zu Lasten des Kindes zu befürchten ist, falls das Kind nicht "alsbald" in seine gewohnte Umgebung zurückkehrt.(Rz. 25)
3. Ist dem Kindesvater in einem Hauptsacheverfahren das alleinige Recht zur Entscheidung über schulische Angelegenheiten der Kinder übertragen worden, so ist für einen Antrag der an einem anderen Ort wohnhaften Kindesmutter auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts, den sie während des noch laufenden Verfahrens auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge stellt, auf Grund des damit verbundenen Aufenthaltswechsels der Kinder zumindest während des laufenden Schuljahres ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden nicht ersichtlich.(Rz. 23)
Normenkette
FamFG § 49 Abs. 1, § 158 Abs. 4 S. 2, § 159; BGB § 1671
Verfahrensgang
AG Eisleben (Beschluss vom 22.08.2011; Aktenzeichen 3 F 369/11) |
Tenor
I. Das Verfahrenskostenhilfegesuch der Beteiligten zu 2 wird abgewiesen, da ihr Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg verspricht.
II. Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen die einstweilige Anordnung des AG - Familiengerichts - Eisleben vom 22.8.2011 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert beträgt EUR 1.500.
Gründe
I. Im vorliegenden einstweiligen Anordnungsverfahren begehrt die Beteiligte zu 2 (Kindesmutter) die vorläufige Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts für ihre beiden Kinder.
Die Beteiligte zu 2 (Kindesmutter) stammt aus Kuba; sie ist mit der deutschen Sprache vertraut. Der Beteiligte zu 3 (Kindesvater) ist von Geburt an Deutscher.
Die Beteiligten zu 2 und 3 haben am 25.5.2001 die Ehe miteinander geschlossen. Aus der Ehe sind das (am 25.1.2003 geb.) Kind S. und das (am 28.7.2004 geb.) Kind F. hervorgegangen. Die Ehewohnung befand sich an der S. Straße 18 in K., dort lebt der Ehemann - mittlerweile wieder mit den Kindern - heute noch.
Im Januar 2007 trennten sich die Ehegatten innerhalb der Ehewohnung.
Im August 2010 wurde das ältere Kind S. in der Grundschule in K. eingeschult; das jüngere Kind F. ging in K. in den Kindergarten. Als der Ehemann, der selbständiger Tischler ist, am 18.5.2011 von der Arbeit nach Hause kam, war die Ehefrau, die arbeitslos ist und sich der Haushaltsführung widmet, mit den Kindern verschwunden. Sie hatte mit den Kindern in E. eine Wohnung bezogen; dort hat sie inzwischen einen neuen Lebensgefährten. Seit dem Auszug der Ehefrau aus der Ehewohnung streiten die Ehegatten darüber, bei welchem Elternteil sich die Kinder künftig aufhalten und zur Schule gehen sollen.
In einem - ersten - einstweiligen Anordnungsverfahren schlossen die Beteiligten am 1.6.2011 einen familiengerichtlich gebilligten Vergleich, in dem man sich - befristet bis zum Beginn des Schuljahres 2011/2012 (d.h. bis Mitte August 2011); in diesem Schuljahr musste das jüngere Kind F. eingeschult werden - einstweilen auf ein wöchentliches Wechselmodell verständigte, so dass es bis zum Auslaufen dieser vorläufigen Regelung (Mitte August 2011) beim bisherigen Schul- bzw. Kindergartenbesuch der Kinder am Wohnort des Ehemannes in K. blieb.
Als sich das Ende der vorläufigen Regelung abzeichnete und der Versuch der Ehefrau, die Kinder in die Grundschule T. straße in E. einzuschulen, an der fehlenden Zustimmung des Ehemanns scheiterte (Bescheid der Schulleiterin vom 5.7.2011 [Bl. 8 d.A. des abgeschlossenen parallelen Hauptsacheverfahrens 3 F 370/11 SO AG Eisleben = 8 UF 203/11 OLG Naumburg]), machte die Ehefrau beim Familiengericht drei Sorgerechtsverfahren anhängig:
1. ein - erstinstanzlich noch nicht abgeschlossenes - Hauptsacheverfahren auf Übertragung der alleinigen elterliche...