Leitsatz (amtlich)
Nur wenn der Beschwerdeführer einen Ermessensfehler des Erstgerichts oder die greifbare Gesetzeswidrigkeit des Beschlusses schlüssig vorträgt, ist die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung des Prozessgerichts des ersten Rechtszuges über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ausnahmsweise statthaft.
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Beschluss vom 29.12.2003; Aktenzeichen 4 O 2802/03) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Magdeburg vom 29.12.2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über das Gesuch des Klägers um einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der Grundschuldbestellungsurkunde vom 13.2.1991 und über die Kosten des Beschwerdeverfahrens an das LG Magdeburg zurückverwiesen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 31.955,74 Euro.
Gründe
A. Der Kläger und seine Ehefrau bestellten der Rechtsvorgängerin der Beklagten am 13.2.1991 eine gem. § 800 ZPO vollstreckbare Grundschuld über 250.000 DM nebst Zinsen an einem im Gebäudegrundbuch von S. Bl. 13 verzeichneten Gebäude (Nr. 243 der Urkundenrolle des Notars W. W. aus W. für 1991). Ferner übernahm der Kläger die persönliche Haftung für die Zahlung in Höhe der Grundschuld und unterwarf sich insoweit der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vom Kläger zu den Akten gegebene Ablichtung der Grundschuldbestellungsurkunde (Bl. 7 bis 10 d.A.) Bezug genommen.
Der Kläger hält die Grundschuldbestellung für unwirksam, weil sie ihn zusammen mit zahlreichen weiteren Sicherheiten, die er der Beklagten später zusätzlich gewährt habe, wirtschaftlich knebele. Er hat deshalb bei dem LG Magdeburg eine Vollstreckungsabwehrklage mit dem Ziel erhoben, die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuldbestellungsurkunde für unzulässig zu erklären. Ferner hat er um die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gebeten.
Das LG hat die Zwangsvollstreckung am 29.12.2003 ohne Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt, weil der Kläger "zunächst hinreichend glaubhaft gemacht" habe, "dass die Zwangsvollstreckung aus der streitgegenständlichen Grundschuldbestellungsurkunde unzulässig" sei.
Gegen diesen Beschluss hat die Beklagte am 5.1.2004 sofortige Beschwerde eingelegt. Wegen der Begründung des Rechtsmittels wird auf die Beschwerdeschrift (Bl. 64 bis 80 d.A.) verwiesen.
Das LG hat es mit Beschluss vom 7.1.2004 abgelehnt der sofortigen Beschwerde abzuhelfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
B. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des LG Magdeburg vom 29.12.2003 ist zulässig und begründet.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das LG als Prozessgericht des ersten Rechtszuges eine Entscheidung über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach §§ 769 Abs. 1, 767 Abs. 1, 794 Abs. 1 Nr. 5, 795, 797 Abs. 5 ZPO getroffen. Derartige Entscheidungen sind entsprechend § 707 Abs. 2 S. 2 ZPO grundsätzlich unanfechtbar. Nur wenn der Beschwerdeführer einen Ermessensfehler des Erstgerichts oder die greifbare Gesetzeswidrigkeit des Beschlusses schlüssig vorträgt, ist ausnahmsweise die sofortige Beschwerde (§§ 793, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) statthaft (OLG Dresden JurBüro 1999, 270; JurBüro 1997, 102; OLG Brandenburg vom 29.9.1998 - 10 W 111/98, FamRZ 1999, 1435 f.; OLG Zweibrücken JurBüro 1999, 381; OLG Celle JurBüro 1997, 101; OLG Köln FamRZ 1997, 1093; OLG München vom 15.6.1988 - 3 W 1805/88, NJW-RR 1988, 1532; OLG Celle NdsRpfl. 1990, 43; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 769 Rz. 13; Karsten Schmidt in MünchKomm/ZPO, § 769 Rz. 33 f.; Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 769 Rz. 13). Greifbare Gesetzeswidrigkeit der betroffenen Entscheidung ist nicht schon bei jeder fehlerhaften Rechtsanwendung oder gar bei jeder Unrichtigkeit des Verfahrensergebnisses anzunehmen. Sie setzt vielmehr voraus, dass die Entscheidung jeglicher rechtlichen Grundlage entbehrt, mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar ist und deshalb als besonders krasses Unrecht angesehen werden muss (BGH v. 8.10.1992 - VII ZB 3/92, MDR 1993, 80 = NJW 1993, 135; NJW-RR 1999, 1585). Die Beschwerde kann zudem regelmäßig nicht zulässigerweise darauf gestützt werden, dass der angefochtenen Entscheidung eine unrichtige Abschätzung der Erfolgsaussicht der Vollstreckungsabwehrklage zugrunde liege. Dies zu beurteilen ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts. Die damit verbundene Bewertung der Hauptsache würde zu einer systemfremden und unzweckmäßigen Einwirkung des nachfolgend zuständigen Berufungsgerichts auf das Verfahren vor dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges führen (OLG Dresden JurBüro 1999, 270; OLG Naumburg vom 3.3.1997 - 6 W 14/97, OLGReport Naumburg 1997, 259 = NJW-RR 1998, 366; OLG Nürnberg vom 13.7.1992 - 11 W 2022/92, NJW-RR 1993, 1216; OLG München vom 26.9.1985 - 25 W 2449/85, MDR 1986, 155 = NJW-RR 1987, 767 [768]).
Ob die angefochtene Entscheidung bereits als greifbar gesetzeswidrig...