Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss des Versorgungsausgleichs aus Billigkeitsgründen
Leitsatz (redaktionell)
1. Bezieht der an sich im Rahmen eines Versorgungsausgleichs ausgleichspflichtige Ehegatte seit längerer Zeit bereits eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und gründet der Ausgleichsanspruch des anderen Ehegatten vor allem in dem Umstand, dass dieser keine eigene angemessene Altersversorgung aufgebaut hat, so scheidet ein Versorgungsausgleich zu dessen Gunsten wegen Unbilligkeit aus.
2. Hat ein Ehegatte eine private Altersvorsorge gekündigt, um dadurch von einem Versorgungsausgleich begünstigt zu werden, scheidet ein Ausgleichsanspruch aus.
Normenkette
BGB § 1587c Nrn. 1-2
Verfahrensgang
AG Wernigerode (Urteil vom 06.08.2009; Aktenzeichen 11 F 155/08) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen das Urteil des AG - Familiengerichts - Wernigerode vom 6.8.2009 - 11 F 155/08 (S), hinsichtlich der Regelung zum Versorgungsausgleich in Ziff. 3 der Entscheidungsformel wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
3. Der Antragsgegnerin wird für die Rechtsverteidigung in der Beschwerdeinstanz ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin W. zu ihrer Vertretung bewilligt.
4. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Antragsteller nach einem Wert von 1.000 EUR zur Last.
Gründe
I. Durch Urteil vom 6.8.2009 (Bl. 101 - 104 d.A.) hat das AG Wernigerode die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich wegen grober Unbilligkeit gem. § 1587c Nr. 1 BGB a.F. ausgeschlossen. Zur Begründung heißt es in dem Urteil, dass die Antragsgegnerin höhere Anwartschaften als der Antragsteller während der Ehezeit erworben habe und sie ihm gegenüber daher an sich ausgleichspflichtig wäre, und zwar i.H.v. ca. 200 EUR. Eine Durchführung des Versorgungsausgleichs wäre jedoch grob unbillig, da die Antragsgegnerin bereits seit dem Jahr 1992 lediglich ein Einkommen auf Grund ihrer Erwerbsunfähigkeitsrente erzielt habe, so dass sie auch keine Anwartschaften mehr erwirtschaften könne. Bei Durchführung des Versorgungsausgleichs würde die ohnehin schon bescheidene wirtschaftliche Situation der Antragsgegnerin noch verschlechtert werden. Der Antragsteller als Selbständiger wäre bei verantwortungsvollem Handeln gehalten gewesen, privat vorzusorgen, was er bis auf die bescheidene Lebensversicherung bei der H. Versicherung unterlassen habe, und ausgerechnet diese Rentenanwartschaft habe er dann auch noch dem Versorgungsausgleich durch seine Kündigung entzogen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich das Rechtsmittel des Ehemannes, der meint, der Versorgungsausgleich sei ohne jegliche Abstriche durchzuführen.
II. Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig (1), allerdings nicht begründet (2).
1. Die gem. § 621e Abs. 1 ZPO a.F. i.V.m. den §§ 629a Abs. 2 Satz 1, 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO a.F. i.V.m. Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-Reformgesetz statthafte befristete Beschwerde des Ehemannes, als welche bei zweckentsprechender Auslegung analog § 133 BGB die von ihm eingelegte Berufung zu gelten hat, ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
2. Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Das AG hat die Voraussetzungen für einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs zu Recht als erfüllt angesehen.
Ein Versorgungsausgleich fand gemäß der hier noch anzuwenden Regelung des § 1587c Nr. 1 BGB a.F. nicht statt, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse der Ehegatten grob unbillig wäre. Davon ist nach Lage der Dinge im vorliegenden Verfahren ebenso auszugehen wie davon, dass der Antragsteller in Erwartung der Scheidung ihm zustehende und an sich auch auszugleichende Versorgungsanrechte bewusst hat entfallen lassen, weshalb auch ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 1587c Nr. 2 BGB a.F. zu bejahen ist.
Die für die Beurteilung der Rechtslage verfassungsrechtlich bedeutsamen Fragen, namentlich zur gemeinsamen Berechtigung der Eheleute auch nach Trennung und Scheidung an dem während der Ehe erworbenen Vermögen (vgl. BVerfGE 53, 257, 293 ff. ) wie auch zur Anwendung der Härtefallklausel des § 1587c BGB a.F. zur Vermeidung verfassungswidriger Ergebnisse des Versorgungsausgleichs (vgl. BVerfGE 66, 324, 330), sind höchstrichterlich geklärt.
Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 2 GG schützt die Ehe als eine Lebensgemeinschaft gleichberechtigter Partner (vgl. BVerfGE 10, 59, 66 f.; 35, 382, 408). Die Ehegatten können ihre persönliche und wirtschaftliche Lebensführung in gemeinsamer Verantwortung bestimmen und insbesondere selbstverständlich darüber entscheiden, wie sie untereinander die Familien- und Erwerbsarbeit aufteilen wollen (vgl. BVerfGE 57, 361, 390; 61, 319, 347; 66, 84, 94; 68, 256, 268). Dabei sind die jeweiligen Leistungen, welche die Ehegatten im Rahmen ihrer innerfamiliären Arbeitsteilung erbringen, als grundsätz...