Leitsatz (amtlich)
Die bloße Einlegung einer Beschwerde durch den Verfahrensbeistand gegen eine Entscheidung in einer Kindschaftssache (hier Sorgerechtsentzugsverfahren) als solche begründet noch nicht den Vergütungsanspruch des Verfahrensbeistands für das Rechtsmittelverfahren. Vielmehr ist es erforderlich, dass der Verfahrensbeistand hierbei im Interesse des Kindes tätig wird, was im Einzelfall zu prüfen ist.
Verfahrensgang
AG Bitterfeld-Wolfen (Beschluss vom 05.03.2014; Aktenzeichen 8 F 486/10) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem LG Dessau-Rosslau gegen den Beschluss des AG - Familiengerichts - Bitterfeld-Wolfen vom 5.3.2014 - 8 F 486/10 SO, wird zurückgewiesen.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Die Entscheidung ist unanfechtbar.
Gründe
I. Die gem. § 57 Abs. 2 FamGKG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem LG Dessau-Roßlau (im Folgenden kurz: Bezirksrevisorin) gegen den Beschluss des AG - Familiengerichts - Bitterfeld-Wolfen vom 5.3.2014 ist in der Sache selbst unbegründet. Denn zu Recht hat das AG mit dem vorerwähnten Beschluss die vom Verfahrensbeistand zu beanspruchende Vergütung für die Beschwerdeinstanz nach § 158 Abs. 7 Satz 2 FamFG auf pauschaliert 1.100 EUR festgesetzt.
Wenngleich mit der Bezirksrevisorin den Gesetzesmaterialien zur vorgenannten Norm entnommen werden kann, dass die bloße Einlegung des Rechtsmittels durch den Verfahrensbeistand allein gerade nicht den Vergütungsanspruch entstehen lässt (vgl. BT-Drucks. 16/12717, 61), so hat der Gesetzgeber gleichwohl gewollt, dass der Vergütungsanspruch nach § 158 Abs. 7 Satz 2 FamFG für die Rechtsmittelinstanz durch die Wahrnehmung der Aufgaben des Verfahrensbeistandes nach § 158 Abs. 4 FamFG anfallen soll, um sicherzustellen, dass der Verfahrensbeistand nur dann eine Mehrvergütung erhält, wenn er in der Rechtsmittelinstanz zur Unterstützung des Kindes, hier eines Teils der Kinder, tätig wird (vgl. BT-Drucks. 16/12717, 61). Diese Regelung steht im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BGH, wonach es für die Entstehung des Vergütungsanspruchs des Verfahrensbeistandes regelmäßig genügt, dass er mit der Wahrnehmung der Aufgaben im Interesse des Kindes begonnen hat und es auch ausreicht, dass der Verfahrensbeistand "in irgendeiner Weise im Kindesinteresse tätig" geworden ist (BGH, FamRZ 2011, 558 Rz. 7 und FamRZ 1896 Rz. 30; OLG Schleswig, Beschl. v. 3.2.2014 - 15 WF 445/13, Rz. 7; alle zitiert nach juris).
Diese Rechtsprechung steht auch im Einklang mit derjenigen des BVerfG, welches in seiner Entscheidung vom 9.3.2004 (FamRZ 2004, 1267 ff., 1269/1270)Folgendes im Hinblick auf den Vergütungsanspruch des damals gesetzlich geregelten Vorgängers des Verfahrensbeistands, den Verfahrenspfleger, ausgeführt hat:
"Die Auslegung und Anwendung des Gesetzesrechts sind grundsätzlich Aufgabe der Fachgerichte. Sie können vom BVerfG nur daraufhin überprüft werden, ob sie Auslegungsfehler enthalten, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des betroffenen Grundrechts beruhen. Das ist der Fall, wenn die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung der Norm die Tragweite des Grundrechts nicht hinreichend berücksichtigt oder zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der grundrechtlichen Freiheit führt (vgl. BVerfGE 18, 85, 92 f.; 85, 248, 257 f.). Dazu kann es im Zusammenhang mit Art. 12 I GG insbesondere dann kommen, wenn bei Auslegung und Anwendung der Norm die typischen Merkmale der Berufstätigkeit nicht gewürdigt oder mit den entgegenstehenden Gemeinwohlinteressen grundrechtliche Belange nicht in ein angemessenes Verhältnis gebracht worden sind (vgl. BVerfGE 85, 248, 258; 97, 12, 27). Soweit der Staat für Aufgaben, deren ordentliche Wahrnehmung im öffentlichen Interesse liegt, einen Dritten beruflich in Anspruch nimmt, gebietet es Art. 12 I GG, ihn angemessen zu entschädigen (vgl. BVerfGE 54, 251, 271 = FamRZ 1980, 765 [LSe]; BVerfG FamRZ 1999, 568 ff. = NJW 1999, 1621 f.)".
Ferner hat das BVerfG angemerkt:
"Die Verfahrenspflegschaft dient der Wahrung der Rechte von Kindern. Deren Interessen sollen in auch sie betreffenden Gerichtsverfahren mit Hilfe eines für sie bestellten Verfahrenspflegers Eingang und Berücksichtigung finden. Maßstab für den Umfang der Tätigkeit eines Verfahrenspflegers und damit auch den seines Vergütungsanspruchs ist deshalb die Erkundung und Wahrnehmung des kindlichen Interesses. Daraus folgt, dass eine Vergütungspraxis mit Art. 12 I GG unvereinbar ist, die dem Verfahrenspfleger nicht ermöglicht, die Interessen der von ihm vertretenen Kinder zu deren Grundrechtsverwirklichung im Verfahren wahrzunehmen. Der Staat ist zu einer angemessenen Entschädigung privater Personen verpflichtet, die er für die Erfüllung im öffentlichen Interesse liegender Aufgaben in Anspruch nimmt (vgl. BVerfGE 54, 251, 271 = FamRZ 1980, 765 [LSe]; BVerfG FamRZ 1999, 568 ff. = NJW 1999, 1621, 1622). Dabei ist ...