Leitsatz (amtlich)
§ 240 ZPO in analoger Anwendung findet - sofern seine sonstigen Voraussetzungen gegeben sind - auch Anwendung im Vergabenachprüfungsverfahren wenn die Vergabestelle insolvent wird. Darin liegt kein Widerspruch zur Entscheidung des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 24. 08.2009 - L 6 B 186/09 -, welches seine Anwendung für den Fall der Insolvenz eines Bieters abgelehnt hat. Die für diesen Fall maßgeblichen Erwägungen können auf den Fall der Insolvenz der Vergabestelle nicht übertragen werden.
Verfahrensgang
1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt LSA (Aktenzeichen 1 VK LVwA 48/09) |
Tenor
Seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der E. GmbH mit Beschluss des AG Halle (Saale) vom 27.10.2009 ist das gerichtliche Beschwerdeverfahren gem. § 240 ZPO analog unterbrochen.
Gründe
I. Die Antragstellerin, ein Unternehmen der privaten Entsorgungswirtschaft, das einem bundesweit agierenden Entsorgungskonzern angehört, macht mit dem vorliegenden Nachprüfungsverfahren Ansprüche wegen einer Veräußerung von Geschäftsanteilen geltend, der kein Vergabeverfahren vorausging.
Die E. GmbH (E.), die ursprüngliche Antragsgegnerin, deren alleiniger Gesellschafter der Landkreis M. ist, war mit 51 % der Anteile Gesellschafterin der W. GmbH (kurz: W.), die in den Jahren 2002 und 2004 von den früheren Landkreisen S. und M. L. mit der Entsorgung von Restabfällen beauftragt worden war.
Die weiteren 49 % der Gesellschaftsanteile an der W. hält die N. GmbH (im Folgenden kurz: N.). Die Gesellschaftsanteile an der N. wiederum halten die E. zu 51 % und die K. GmbH, eine Tochtergesellschaft der Antragstellerin, zu 49 %. Über das Vermögen der N. wurde mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 4.6.2009 (Az. 59 IN 235/09) das Insolvenzverfahren eröffnet.
Am 4.7.2009 veräußerte die E. die von ihr gehaltenen Gesellschaftsanteile an der W. an die R. -GmbH (im Folgenden kurz: R. GmbH), die Beigeladene Ziff. 5.
Die Antragstellerin hat die Ansicht vertreten, die Veräußerung von Gesellschaftsanteilen an der W. unterfalle als solche dem Anwendungsbereich des Vergaberechts. Daher hätte nach ihrer Rechtsansicht der Verkauf der Gesellschaftsanteile im Wege eines vergaberechtskonformen Verfahrens nach Ausschreibung erfolgen müssen. Dass dies nicht geschehen sei, stelle eine unzulässige De-facto-Vergabe dar und mache den Verkauf der Gesellschaftsanteile unwirksam.
Die Antragstellerin hat vor der Vergabekammer zunächst beantragt, festzustellen, dass sie in ihren Rechten verletzt wird, und die Antragsgegnerin zu verpflichten, die von ihr gehaltenen Gesellschaftsanteile an der W. nur nach Durchführung eines vorherigen Vergabeverfahrens gem. §§ 97 ff. GWB zu verkaufen. Hilfsweise hat sie beantragt, den zwischen der Antragsgegnerin und der R. GmbH abgeschlossenen Vertrag über den Erwerb von Geschäftsanteilen an der W. für unwirksam zu erklären.
Die Antragsgegnerin hat den Nachprüfungsantrag als unzulässig angesehen. Weder sei sie als öffentlicher Auftraggeber tätig geworden, noch handele es sich bei dem Geschäftsanteilsverkauf um einen ausschreibungspflichtigen Vorgang.
Auch die ursprüngliche Antragsgegnerin (E.) wurde im Laufe des Nachprüfungsverfahrens insolvent. Mit Beschluss des AG Halle (Saale) vom 11.8.2009 (Az. 59 IN 679/09) wurde der heutige Antragsgegner zunächst zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Antragsgegnerin bestellt. Ein allgemeines Verfügungsverbot wurde jedoch noch nicht angeordnet.
Mit Beschluss vom 7.10.2009 hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag verworfen. Sie hielt den Nachprüfungsantrag für unzulässig, weil der streitgegenständliche Vertrag keinen öffentlichen Auftrag i.S.d. § 99 Abs. 1 GWB darstelle. Ein Beschaffungscharakter liege weder unmittelbar noch mittelbar vor. Der Verkauf von Gesellschaftsanteilen selbst sei kein Beschaffungsvorgang.
Gegen den ihr am 12.10.2009 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 21.10.2009 sofortige Beschwerde eingelegt. Zugleich hat sie beantragt, das Beschwerdeverfahren auf den Landkreis M. zu erweitern, und hat hierzu einen weiteren Hilfsantrag gestellt, der auf die Feststellung der Unwirksamkeit der zwischen den früheren Landkreisen S. und M. L. in den Jahren 2002 und 2004 geschlossenen Entsorgungsverträge gerichtet war. Diesen Antrag hat die Antragstellerin später nach Hinweisen des Gerichts mit Schriftsatz vom 1.4.2010 zurückgenommen und ihre Beschwerdeanträge auf den Antragsgegner beschränkt.
Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 27.10.2009 wurde auch über das Vermögen der E. das Insolvenzverfahren eröffnet und der heutige Antragsgegner zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Beschluss vom 1.4.2010 hat deshalb der Senat darauf hingewiesen, dass er zunächst über die Frage zu entscheiden habe, ob nach der Insolvenz der Antragsgegnerin § 240 ZPO entsprechend anzuwenden sei.
Hierzu hat die Antragstellerin die Ansicht vertreten, dass § 240 ZPO mangels gesetzlicher Verweisung im Verfahren nach §§ 116 ff. GWB keine Anwendung finden könne...