Leitsatz (amtlich)
Haben sich die Parteien im Zivilprozess verglichen ohne den Rechtsstreit für erledigt zu erklären oder im Vergleich eine Kostenentscheidung zu treffen oder festzulegen nach welchen Kriterien die Kosten zu tragen sein sollen, sondern vielmehr nach Vergleichsschluss unter Stellung widerstreitender Kostenanträge erklärt, das Gericht möge über die Kosten entscheiden, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben (§ 98 ZPO).
Verfahrensgang
LG Stendal (Beschluss vom 03.08.2011; Aktenzeichen 23 O 483/10) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Einzelrichters der Zivilkammer 3 des LG Stendal vom 3.8.2011 abgeändert.
Die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs werden gegen-einander aufgehoben.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt bis 7.000 EUR.
Gründe
I. Die Beklagten wenden sich im Beschwerdeverfahren dagegen, dass ihnen die Kosten für das erstinstanzliche Verfahren aufgegeben worden sind.
Im Ausgangsverfahren vor dem LG Stendal hatte der Kläger die Beklagten im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall auf Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 25.000 EUR, auf Zahlung weiterer 2.289,43 EUR zum Ersatz seines materiellen Schadens und Feststellung ihrer Einstandspflicht für künftige Schäden in Anspruch genommen. Zudem hat er Ersatz seiner vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten von 648,31 EUR gefordert. Die Beklagten haben u.a. eingewandt, den Kläger treffe ein Mitverschulden, da der Beklagte zu 1) sich in einem auch für ihn erkennbaren Zustand alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit befunden habe.
In der mündlichen Verhandlung vom 12.7.2011 haben die Parteien einen Widerrufsvergleich geschlossen. Die Beklagten haben sich als Gesamtschuldner verpflichtet, an den Kläger zum Ausgleich seines materiellen und immateriellen Schadens 32.500 EUR zu zahlen. Sie haben sich zudem verpflichtet, ihm auch künftige Schäden aus dem Verkehrsunfall zu ersetzen. Nach Diktat des Vergleichstextes und dessen Genehmigung heißt es im Protokoll der mündlichen Verhandlung:
"In Bezug auf die Kostentragung den Rechtsstreit betreffend erklären die Parteienvertreter, dass darüber das Gericht entscheiden soll. Die Parteien stellen insoweit widerstreitende Kostenanträge."
Der Vergleich ist nicht widerrufen worden. Das LG hat den Streitwert auf bis zu 65.000 EUR festgesetzt und zur Begründung ausgeführt, dass nach dortiger Auffassung die Verletzungen des Klägers aus dem Verkehrsunfall auch ein Schmerzensgeld bis zu 60.000 EUR gerechtfertigt hätten.
Durch weiteren Beschluss vom 3.8.2011 hat der Einzelrichter der Zivilkammer 3 des LG Stendal die Kosten des Rechtsstreits den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt und zur Begründung ausgeführt, es sei eine Kostenentscheidung gem. § 91a Abs. 1 ZPO zu treffen gewesen, da der Rechtsstreit durch den Vergleich seine Erledigung gefunden habe, dieser eine Kostenentscheidung nicht enthalte und die Parteien auf eine solche dringen. Über die Kosten sei deshalb unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden gewesen. Die Ansprüche des Klägers seien dem Grunde nach gerechtfertigt gewesen, ein Mitverschuldenseinwand der Beklagten unbegründet. Das geforderte Schmerzensgeld habe unter dem gelegen, was nach den Verletzungen zuzusprechen war. Deshalb komme es nicht darauf an, dass die Parteien sich auf einen Betrag verständigt hätten, welcher darunter gelegen habe. Das Vorbringen des Klägers zur Höhe des materiellen Schadensersatzanspruchs sei schlüssig und hätte sich in der Beweisaufnahme voraussichtlich zumindest größtenteils bestätigt.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten, welcher das LG nicht abgeholfen hat. Die Beklagten rügen, ihnen hätte es nach den in der mündlichen Verhandlung erteilten Hinweisen des Vorsitzenden bei Fortsetzung des Rechtsstreits noch offen gestanden, zu den ein Mitverschulden begründenden Umständen weiter vorzutragen. Zudem hätten sie hinsichtlich des Grads der Alkoholisierung des Beklagten zu 1) und deren Erkennbarkeit für den Kläger bereits unter Beweisantritt vorgetragen gehabt. Sie halten daher eine Kostenaufhebung für gerechtfertigt.
Auf Hinweis führen der Kläger im Beschwerdeverfahren ergänzend aus, die Parteien hätten die Kostenfolge aus § 98 S. 2 ZPO explizit ausschließen wollen und deshalb die Kostenregelung nicht in den Vergleich aufgenommen. Es sei ausdrücklich eine Kostenentscheidung gem. § 91a ZPO gewünscht gewesen. Die Beklagten meinen demgegenüber, es sei eine Kostenentscheidung gem. § 98 ZPO zu treffen.
II. Die gem. §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 91a Abs. 2, 569 Abs. 1 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten, über welche gem. § 568 S. 1 ZPO der Einzelrichter zu entscheiden hat, hat auch in der Sache Erfolg.
Die Kostenentscheidung richtet sich nicht nach § 91a ZPO, sondern nach § 98 ZPO. Wird der Rechtsstreit - wie hier - durch Vergleich beendet...