Leitsatz (amtlich)

Nach Abschluss des selbstständigen Beweisverfahrens können die Parteien nicht zeitlich unbegrenzt Anträge nach § 411 Abs. 4 S. 1 ZPO stellen, falls die gerichtliche Fristsetzung unterblieben ist. Am Maßstab des § 282 Abs. 1 ZPO ist zu prüfen, ob die Partei ihre Einwendungen und Anträge, die das schriftliche Gutachten betreffen, so zeitig vorgebracht hat, wie es „einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht” (§ 282 Abs. 1 ZPO).

(Anschluss und Fortführung von BGH, Urt. v. 20.2.2002 – VIII ZR 228/00, BGHReport 2002, 570 = MDR 2002, 774 = NJW 2002, 1640 [1641] = ZIP 2002, 990–992 = WM 2002, 873–875).

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Aktenzeichen 10 OH 1/01)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 12.11.2002; Aktenzeichen X ZB 39/02)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der 1. Kammer für Handelssachen des LG Halle (Saale) vom 23.7.2002 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird für die Gebührenberechnung auf 500.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die 1. Kammer für Handelssachen des LG Halle (Saale) hat auf den Antrag der Antragstellerin vom 16.3.2000 im selbstständigen Beweisverfahren durch Beschl. v. 17.4.2000 gem. § 485 Abs. 2 ZPO angeordnet, dass sich zwei Sachverständige zu bestimmten Beweisfragen in einem schriftlichen Gutachten äußern sollten (wegen der Einzelheiten siehe den genannten Beschluss Bd. I Bl. 214–219). Die Kammer hat die Sachverständigen J.R. und H.B., T.-GmbH, mit der Fertigung des Gutachtens beauftragt. Auf Antrag der Antragstellerin hat die Kammer den Beweisbeschluss vom 17.4.2000 durch Beschl. v. 11.1.2001 ergänzt (Bd. II Bl. 134–135). Die Beschlüsse sind ausgeführt und die schriftlichen Gutachten erstattet worden. Nachdem die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin mit Schreiben vom 13.6.2001 die Erstattung des Gutachtens angemahnt hatten, teilte die T.-GmbH, Dr. G., dem LG Halle (Saale) durch Schreiben vom 25.6.2001 mit, dass „je 1 Exemplar [zu ergänzen ist: des schriftlichen Gutachtens] … den Prozessbeteiligten gem. mündlicher Absprache übergeben” worden sei, und überreichte dem Gericht drei Ausfertigungen des Gutachtens vom 25.6.2001 zu den Akten (Bd. II Bl. 190).

Mit Schriftsatz vom 6.5.2002, der im LG Halle (Saale) als Telefax am 21.6.2002 eingegangen ist, hat die Antragsgegnerin die „Anhörung des Sachverständigen” und die Beantwortung einer Reihe von Fragen beantragt (siehe Bd. III Bl. 53–57). Die Vorsitzende der 1. Kammer für Handelssachen hat diesen Antrag durch Beschl. v. 23.7.2002 zurückgewiesen (Bd. III Bl. 64–65).

Dagegen richtet sich die statthafte und zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin.

Auf dieses Beschwerdeverfahren sind nach § 26 Nr. 10 EGZPO in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27.7.2001 (BGBl. I Seite 1887, geändert durch Art. 5 Abs. 1a SchuModG vom 26.11.2001, BGBl. I S. 3138) die ab dem 1.1.2002 geltenden Vorschriften anzuwenden, weil die anzufechtende Entscheidung nach diesem Datum der Geschäftsstelle übergeben worden ist. Hier findet die sofortige Beschwerde gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statt; denn es hat sich um eine Entscheidung gehandelt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist. Die Antragsgegnerin hat die sofortige Beschwerde innerhalb der nach § 569 ZPO bestimmten Frist und in der vorgeschriebenen Form eingelegt. Der Beschluss vom 23.7.2002 ist den Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin am 31.7.2002 zugestellt worden. Die Beschwerdeschrift der Antragsgegnerin vom 12.8.2002 ist als Telefax am selben Tag im LG Halle (Saale) empfangen worden.

Nachdem die Antragstellerin zur Beschwerde Stellung genommen und beantragt hat, die Beschwerde zurückzuweisen, hat die Kammer-Vorsitzende die angefochtene Entscheidung gem. § 572 Abs. 1 S. 1 ZPO geprüft, der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem OLG Naumburg als Beschwerdegericht vorgelegt. Dieses entscheidet gem. § 568 S. 1 ZPO durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, das nach der Senats-Geschäftsverteilung bestimmt worden ist.

Die sofortige Beschwerde ist nicht gerechtfertigt. Die Vorsitzende der Kammer für Handelssachen hat den nach §§ 411 Abs. 4, 492 Abs. 1 ZPO zulässigen Antrag der Antragsgegnerin auf Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen und auf Beantwortung von Ergänzungsfragen zu Recht als unbegründet zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat ihren die Begutachtung betreffenden Antrag nämlich nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraumes, sondern erst lange nach Beendigung des selbstständigen Beweisverfahrens gestellt.

Die Beweissicherung ist mit ihrer sachlichen Erledigung abgeschlossen (BGHZ 53, 43 = MDR 1970, 316; vgl. auch BGH NJW 1973, 698 [699]). „Das ist bei schriftlichen Sachverständigengutachten regelmäßig der Fall, wenn das Gutachten den Parteien übergeben wird” (siehe BGH, Urt. v. 3.12.1992 – VII ZR 86/92, MDR 1993, 979 = NJW 1993, 851; vgl. Musielak/Huber, ZPO, 3. Aufl. 2002, § 492 Rz. 3). In der Re...

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