Leitsatz (amtlich)

Selbst wenn das Familiengericht unrichtig über die Frist zur Anfechtung seiner vollstreckungsrechtlichen Entscheidung belehrte, steht der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand des verspätet Beschwerde einlegenden anwaltlich vertretenen Beteiligten trotz § 17 II FamFG das Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten entgegen, die Voraussetzungen des beabsichtigten Rechtsmittels nicht eigenständig geprüft zu haben.

 

Verfahrensgang

AG Quedlinburg (Beschluss vom 26.01.2017; Aktenzeichen 4 F 623/16)

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Quedlinburg vom 26. Januar 2017 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben.

Der Wert der Beschwerde wird auf 852,00 EUR festgesetzt.

II. Der Antrag des Beschwerdeführers, ihm für das Rechtsmittel Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

[A] Mit Antragsschrift vom 9. November 2016 hat der Antragsteller unter Hinweis auf die Erwerbsobliegenheit der Antragsgegnerin und seine reduzierte Leistungsfähigkeit die Abänderung einer den Trennungsunterhalt der Beteiligten regelnden einstweiligen Anordnung des Amtsgerichts Quedlinburg vom 17. Dezember 2015 beantragt. Nach mündlicher Verhandlung hat das Amtsgericht mit einem am 26. Januar 2017 verkündeten Beschluss seine Entscheidung vom 17. Dezember 2015 teilweise aufgehoben, soweit der Antragsteller danach ab Dezember 2016 mehr als 142,00 EUR Trennungsunterhalt zu zahlen hatte.

Gegen diese, seiner Verfahrensbevollmächtigten am 1. Februar 2017 zugestellte Entscheidung hat der Antragsteller mit einem am 20. Februar 2017 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und Verfahrenskostenhilfe für das sogleich begründete Rechtsmittel beantragt.

Mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 8. März 2017 wurde der Antragsteller auf die Unzulässigkeit der Beschwerde im Verfahren der einsteiligen Anordnung hingewiesen. Hieraufhin hat der Beschwerdeführer behauptet, mit seinem Antrag beim Amtsgericht das Hauptsacheverfahren betrieben zu haben. Augenscheinlich habe die Eingangsinstanz dies ebenso gesehen. Hierfür spräche nicht zuletzt die Rechtsmittelbelehrung des Amtsgerichts. Hilfsweise beantragt der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den Stand vor der versäumten Beschwerdefrist.

[B] I. Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb nach § 68 II 2 FamFG zu verwerfen.

1. Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts erging im Verfahren der einstweiligen Anordnung und ist deshalb nicht anfechtbar (§§ 113 I; 57 1 FamFG). Entgegen seiner Darstellung hat der Antragsteller kein Hauptsacheverfahren betrieben, sondern einen Antrag im Verfahren der einstweiligen Anordnung gestellt, den das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss beschied.

Prozesshandlungen, wozu auch der erstinstanzliche Antrag des Antragstellers zählt, sind einer Auslegung zugänglich. Es gelten die Auslegungsgrundsätze der §§ 133; 157 BGB. Maßgeblich ist der für den objektiven Empfänger erkennbare Sinn. Im Zweifel wird das angestrebt, was nach den Maßstäben des Rechts vernünftig und dem recht verstandenen Interesse des Handelnden entspricht. Es ist hingegen nicht möglich, einer eindeutigen Erklärung nachträglich den Sinn zu geben, der dem (Rechtsmittel-) Interesse des Antragstellers am besten entspricht (Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., vor § 128 Rdn. 25 m.w.N.).

Der Antragsteller war auf Grund einer einstweiligen Anordnung des Amtsgerichts, die auf § 246 FamFG fußte, zu Trennungsunterhaltszahlungen verpflichtet. Er stellte einen "Antrag auf Abänderung", der auf Aufhebung der Unterhaltsverpflichtung gerichtet war. Dieser Wortlaut entspricht § 54 I 1, III 1 FamFG. Durch einen solchen Antrag kann insbesondere die Herabsetzung oder Aufhebung der Unterhaltspflicht betrieben werden (Bumiller/Harders/ Schwamb, FamFG, 11. Aufl., § 246 Rdn. 11). Dies ist ein einfacher und kostengünstiger Weg, der aus Sicht des Antragstellers zweckmäßig und vernünftig war. Die grundsätzliche Trennungsunterhaltsverpflichtung für die Vergangenheit wurde nicht in Zweifel gezogen und deshalb kein die Hauptsache kennzeichnender Antrag auf negative Feststellung (vgl. Bumiller/Harders/Schwamb, § 246 Rdn. 10; Musielak/Borth/Grandel, FamFG, 5. Aufl., § 54 Rdn. 15) gestellt. Dies lässt aus objektiver Empfängersicht des Amtsgerichts und der Antragsgegnerin eindeutig auf einen Antrag nach § 54 FamFG schließen.

Die Bezeichnung des Beschwerdeführers als "Antragsteller" im Rahmen des zunächst von der Antragsgegnerin eingeleiteten Anordnungsverfahrens lässt keine andere Deutung zu. Die Aufhebung und Änderung der einstweiligen Anordnung setzt einen Antrag voraus (§ 54 I 2 FamFG).

Entgegen der Beschwerde hat das Amtsgericht dies nicht anders gesehen. Es wurde im Verfahren der einstweiligen Anordnung entschieden. Das Amtsgericht änderte seinen Beschluss vom 17. Dezember 2015 ab und hob die einstweilige Anordnung teilweise auf. Die getroffene Kostenentscheidung wurde mit § 51 FamFG begründet und...

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