Leitsatz (amtlich)
Gegen einen 30-jährigen Willen, das Grundstück wie ein Eigentümer zu besitzen, spricht die durchgängig im Verfahren zum Ausdruck gebrachte Haltung, sich als Pächter bzw. Nutzer auf vertraglicher Grundlage verstanden zu haben. Insofern besteht kein Eigenbesitz, so dass es an der Antragsberechtigung nach §§ 443, 444 FamFG, § 927 BGB fehlt.
Verfahrensgang
AG Magdeburg (Aktenzeichen 90 UR II 5/18) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg vom 16. Mai 2019 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 42.655,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Unter dem 21. Mai 2018 hat die Beteiligte die Durchführung eines Aufgebotsverfahrens sowie den Erlass eines Ausschließungsbeschlusses gegen den im Grundbuch von M. Blatt ... 7 für die Flurstücke ... 5 und ... 6 der Flur ... 4 eingetragenen Eigentümer W. O. beantragt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass W. O. seit über 30 Jahren nicht auffindbar sei und in den vergangenen 30 Jahren keine ihr bekannte Änderung im Grundbuch erfolgt sei. Sie und ihr am 18. Juni 2014 verstorbener Vater hätten die Anordnung des Rates für landwirtschaftliche Produktion und Nahrungsgüterwirtschaft der Kreise W. und M. vom 14. August 1972 stets befolgt und das Grundstück bewirtschaftet und gepflegt sowie die Pacht bezahlt und das Grundstück instandgehalten, so dass einer Verwahrlosung entgegengewirkt worden sei.
Das Amtsgericht hat die Beteiligte mit Verfügung vom 17. August 2018 darauf hingewiesen, dass dreißigjähriger Eigenbesitz glaubhaft zu machen sei, etwa durch Nachweise zum Bezahlen von Grundsteuern oder Versicherungen. Weiterhin seien die Nachweise zu dem Tod des eingetragenen Eigentümers und zu den Erben nicht ausreichend.
Nachdem die Beteiligte auf wiederholende Hinweise mit Verfügung vom 7. Dezember 2018 weitere Unterlagen vorgelegt hatte, hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 16. Mai 2019 den Antrag der Beteiligten mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Nachweis, dass ihr Vater Pächter gewesen sei, nur hinsichtlich des Flurstücks ... 6 erbracht sei. Weiterhin sei zwar ein Pachtvertrag vorgelegt worden, aber nur für ein anderes Grundstück, S. Weg 14 in M. . Das Pachtverhältnis habe nur bis zum Ende der staatlichen Verwaltung im Jahre 1990 gedauert. Einen Nachweis über die Fortsetzung des Pachtvertrages nach 1990 habe sie nicht beigebracht. Insofern sei der Vater Fremdbesitzer gewesen. Zeiten des Fremdbesitzes zählten bei § 927 BGB jedoch nicht.
Gegen diesen am 22. Mai 2019 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte mit Schreiben vom 21. Juni 2019 - eingegangen bei dem Amtsgericht am gleichen Tage - Beschwerde mit der Begründung eingelegt, dass sie das Schreiben der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben vorgelegt habe, in dem stehe, dass die Wohnungsbauwirtschaft den Pachtvertrag an diese übergeben habe und sie den Eingang der Pachtzahlung 2008 bestätige. Das verliehene Nutzungsrecht für das Grundstück S. Weg 12 gälte ab 1972 bis heute. Sie verweise außerdem auf die Schreiben der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben vom 21. Januar 2019 und vom 24. April 2019. S. Weg 12 und 14 mit den Wohn- und Stallgebäuden seien vorschriftsgemäß und mit Billigung staatlicher Stellen in Besitz genommen und mit Stallgebäuden bebaut worden, und zwar zur persönlichen Nutzung, zur Erholung, zur Lagerung, für kleingärtnerische Zwecke sowie zur Nutztierhaltung. Auf diese Weise werde noch heute genutzt.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde durch Beschluss vom 2. Juli 2019 nicht abgeholfen und das Verfahren dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die Beschwerde ist zulässig (§§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 63 Abs. 1 FamFG), hat in der Sache aber keinen Erfolg.
Das Amtsgericht hat den Antrag der Beteiligten auf Durchführung eines Aufgebotsverfahrens zu Recht zurückgewiesen.
Es fehlt bereits an der Antragsberechtigung der Beteiligten nach §§ 443, 444 FamFG in Verbindung mit § 927 BGB. Zwar käme der Beteiligten die Besitzzeit ihres Rechtsvorgängers, ihres Vaters, entsprechend § 943 BGB zugute. Allerdings hat sie nicht glaubhaft gemacht, dass sie bzw. ihr Vater die hier allein gegenständlichen Flurstücke ... 5 und ... 6 seit 30 Jahren in Eigenbesitz hatten. Dabei sind sämtliche Beweismittel zulässig, auch die Versicherung an Eides statt (§ 294 ZPO, § 31 FamFG). An die Glaubhaftmachung sind im Hinblick auf die einschneidenden Rechtsfolgen strenge Anforderungen zu stellen. Die bloße Angabe der Ausübung des Eigenbesitzes genügt hierfür nicht. Es ist vielmehr substantiierter Vortrag dahin erforderlich, wie der Eigenbesitz an dem Grundstück in den letzten 30 Jahren konkret ausgeübt worden ist (z. B. Senatsbeschluss vom 16. März 2015, 12 Wx 74/14, zitiert nach Juris). Denn Eigenbesitzer ist nach § 872 BGB, wer eine Sache als ihm gehörend besitzt. Gemeint ist die subjektive Willensrichtung, auf das Eigentum kommt es nicht an. Es genügt, dass der Besitzer die tatsächliche Sachherrschaf...