Leitsatz (amtlich)

Wenn am 28.11.2005 die Rechtsmittelfrist abläuft und geht am 11.11. beim FamG - unzulässig - eine Rechtsmittelschrift ein, ist das FamG gehalten, im normalen Geschäftsgang das Rechtsmittel an das OLG weiterzuleiten.

Erfolgt eine Weiterleitung an das OLG erst am 17.1.2006 (1 1/5 Monate später) und ist ein sachlicher Grund für diese Verzögerung aus der Akte nicht ersichtlich, ist wegen unverschuldeter Fristversäumung Wiedereinsetzung zu gewähren.

 

Verfahrensgang

AG Osterburg (Beschluss vom 27.10.2005; Aktenzeichen 50 F 21/05)

 

Tenor

1. Der Antragstellerin und der Beteiligten zu 1) und 2) wird gegen die Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand bewilligt.

2. Der Antrag der Antragstellerin und der Beteiligten zu 1) und 2) auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Beschwerde wird zurückgewiesen.

3. Die Beschwerden der Antragstellerin und der Betroffenen zu 1) gegen den Beschluss des AG Osterburg vom 27.10.2005 werden zurückgewiesen, die Beschwerde der Betroffenen zu 2) wird als unzulässig verworfen.

4. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; die außergerichtlichen Kosten der Beschwerde haben die Antragstellerin und die Betroffenen zu 1) und 2) zu tragen.

5. Der Beschwerdewert wird auf 6.000 EUR festgesetzt.

6. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin war mit dem Antragsgegner verheiratet. Aus ihrer Ehe, die im Jahre 2000 vor dem AG Osterburg geschieden worden ist, sind die beteiligten minderjährigen Kinder M. und J. hervorgegangen. Die Antragstellerin hat ihren Geburtsnamen wieder angenommen. Sie beabsichtigt, die Ehe mit M.L., mit dem sie mit den beteiligten Kindern zusammen lebt, einzugehen.

Die Antragstellerin hat zunächst beantragt, die Einwilligung des Antragsgegners in die Einbenennung zu ersetzen und später weiter, ihr das alleinige Sorgerecht für die beiden gemeinsamen Kinder zu übertragen.

Das AG hat nach Anhörung der Eltern, der Kinder und des Jugendamtes den Antrag auf Ersetzung der Einwilligung in die Einbenennung zurückgewiesen, der Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die beteiligten Kinder übertragen und den auf die Alleinsorge gerichteten Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Beschwerden der Antragstellerin und der beteiligten Kinder.

II.1. Zulässigkeit der Rechtsmittel und Wiedereinsetzung

Gegen amtsgerichtliche Entscheidungen, die die Ersetzung der Einwilligung in die Einbenennung nach § 1618 S. 4 BGB betreffen, ist die befristete Beschwerde nach §§ 621e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zulässig (BGH v. 29.9.1999 - XII ZB 139/99, MDR 1999, 1447 = FamRZ 1999, 1648), das gilt gleichsam für Entscheidungen betreffend die elterliche Sorge insgesamt oder teilweise.

Gegen eine ablehnende Entscheidung betreffend die Ersetzung der Einwilligung in die Einbenennung kann allerdings nur derjenige Beschwerde einlegen, der durch die Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Das ist hier die gemeinsam mit dem Beschwerdegegner sorgeberechtigte Kindesmutter. Die beteiligten Kinder sind nach allgemeiner Auffassung nur dann beschwerdeberechtigt, wenn das Gericht die Einwilligung des anderen Elternteils ersetzt hat, was hier nicht der Fall ist, und weshalb ihnen kein Beschwerderecht zusteht (Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 621e Rz. 14g, m.w.N.).

Gegen Entscheidungen betreffend das Sorgerecht für minderjährige Kinder können neben der Kindesmutter nach § 59 Abs. 1 und Abs. 3 FGG auch Kinder Beschwerde einlegen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben. Deshalb war die Beteiligte zu 1) berechtigt, neben ihrer Mutter Beschwerde gegen die Entscheidung des AG einzulegen, nicht aber ihre Schwester J..

Die Beschwerde ist nach §§ 621e Abs. 1 und 3, 517 ZPO allerdings innerhalb eines Monats ab Zustellung beim Beschwerdegericht, welches nach § 119 Abs. 1 Nr. 1a GVG ausschließlich das OLG ist, einzulegen.

Wegen der Zustellung am 28.10.2005 hätte die Beschwerde daher bis zum Ablauf des 28.11.2005 beim OLG Naumburg eingehen müssen. Das ist nicht geschehen, sodass die Rechtsmittel der Antragstellerin und der Beteiligten zu 1) und 2) deshalb unzulässig wären.

Die Beschwerden der Antragstellerin und der Beteiligten zu 1) und 2) sind jedoch rechtzeitig in der Beschwerdefrist, und zwar am 11.11.2005, beim AG eingegangen, das - nicht nachvollziehbar - die Beschwerden nebst Akten erst mit Verfügung vom 17.1.2006 zur Übersendung an das Rechtsmittelgericht gebracht hat, obgleich eine Weiterleitung ohne Mühen zeitnah hätte erfolgen können und müssen.

Daher ist der Antragstellerin und den Beteiligten zu 1) und 2) nach § 236 Abs. 2 ZPO von Amts wegen gegen die Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu bewilligen.

Hinsichtlich der Beteiligten zu 2) Ist allerdings die Beschwerde gleichwohl als unzulässig zu verwerfen, da ihr aus den oben genannten Gründen ein Beschwerderecht nicht zusteht.

2. Prozesskostenhilfe

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