Leitsatz (amtlich)
Schmerzensgeld i.H.v. 10.000 EUR bei Fehlern der unfallchirurgischen Behandlung, die mindestens eine um 21 Monate verzögerte Wundheilung eines Unterschenkelschafttrümmerbruchs sowie zusätzliche ärztliche Behandlungen und psychische Beeinträchtigungen verursacht haben.
Verfahrensgang
LG Dessau-Roßlau (Urteil vom 15.05.2007; Aktenzeichen 4 O 104/06) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 15.5.2007 verkündete Urteil des LG Dessau, 4 O 104/06, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer übersteigt 20.000 EUR nicht.
und beschlossen:
Der Kostenwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.051,32 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Von einer Darstellung der tatsächlichen Feststellungen i.S.v. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO wird nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
II. Die Berufung des Klägers ist überwiegend zulässig; insbesondere wurde sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet. Hinsichtlich der materiellen Schadensposition zu einem Betrage von 51,32 EUR ist die Berufung allerdings mangels ausreichender Begründung bereits unzulässig. Die Kammer hatte die Abweisung dieses Zahlungsantrages u.a. auch darauf gestützt, dass der Kläger den Eintritt eines entsprechenden Vermögensschadens bei sich selbst durch Bezahlung, die bestritten worden war, nicht nachgewiesen hatte. Insoweit hat der Kläger das Urteil nicht angegriffen und im Termin der mündlichen Verhandlung erklärt, dass ein Berufungsangriff nicht etwa versehentlich unterblieben wäre, sondern deswegen, weil er einen Zahlungsbeleg nicht beibringen könne.
Soweit sie zulässig ist, hat die Berufung in der Sache keinen Erfolg. Die Ermessensausübung durch die Kammer zur Höhe des zuerkannten Schmerzensgeldes lässt weder in tatsächlicher noch rechtlicher Hinsicht Fehler erkennen. Ein Schmerzensgeld i.H.v. insgesamt 10.000 EUR ist auch im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Die nach seinem eigenen Bekunden vor dem Senat für den Kläger maßgebliche Zielstellung der Rechtsverfolgung ist bereits dadurch eingetreten, dass die Kammer den Schadenersatzanspruch des Klägers dem Grunde nach als gerechtfertigt angesehen hat. Die Kammer hat festgestellt, dass sich die Heilung der Unfallverletzungen des Klägers ganz erheblich dadurch verzögert hat, dass bei der unfallchirurgischen Versorgung dieser Verletzungen im Februar und Mai 2000 diverse Behandlungsfehler aufgetreten sind. Bei der Operation am 17.2.2000 ist bereits eine falsche, weil geringere Heilungschancen versprechende Behandlungsmethode gewählt worden. Diese Methode ist zudem fehlerhaft ausgeführt worden, weil die zur Stabilisierung der Trümmerzone ausgewählte Knochenplatte zu kurz, d.h. zur Stabilisierung ungeeignet, gewesen ist und deren Befestigung an ungeeigneter, weil selbst noch zertrümmerter Knochenstelle versucht worden ist. Darüber hinaus ist entgegen dem Standard einer fachchirurgischen Behandlung die stabile Wiederherstellung des Wadenbeins unterlassen worden. In der Operation am 15.5.2000 ist die Bruchzone unzureichend stabilisiert worden, so dass die Herausbildung und Entwicklung eines falschen Gelenks befördert worden ist, deren Beseitigung den Heilungsprozess weiter erheblich verzögert hat. Gleichwohl folgt der Senat dem Kläger darin, dass über diese Feststellungen hinaus auch das Schmerzensgeld u.a. die Funktion hat, dem Kläger in angemessenem Verhältnis Genugtuung für die erlittenen Fehlbehandlungen und für die aus seiner Sicht erlebte Ignoranz oder Gleichgültigkeit gegenüber seinen laienhaften Fragen und Bedenken zu verschaffen. Gleiches gilt für die psychischen Belastungen, die der Kläger nochmals im Termin der mündlichen Verhandlung geschildert hat und die daraus entstanden sind, dass der Kläger sich häufig bei Bewerbungsgesprächen und ähnlichen Anlässen sowie anlässlich der Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber seiner Krankenkasse in einem Rechtfertigungszwang für die überdurchschnittliche Dauer des Heilungsprozesses befunden hat. Diese Gesichtspunkte sind für die Festsetzung eines angemessenen Schmerzensgeldes natürlich zu berücksichtigen.
Im Vordergrund steht für die Bemessung des Schmerzensgeldes jedoch die sog. Ausgleichsfunktion, d.h. die Wiedergutmachung von Schäden nicht vermögensrechtlicher Art. Hierfür kommt es auf das Maß der Lebensbeeinträchtigung des Geschädigten an. Der Kläger musste hier infolge der medizinischen Falschbehandlung hinnehmen, dass sich der Heilungsprozess seines unfallbedingten Körperschadens nicht sechs bis neun Monate, sondern etwa zweieinhalb Jahre ausdehnte mit entsprechenden Begleiterscheinungen, wie zusätzlicher ärztlicher Behandlungen, Schmerzen und psychischen Beeinträchtigungen, wie das Gefühl der Hilflosigkeit und der Ohnmacht ggü. dem viel zu langsam verlaufenden Heilungsprozess. Dem gegenüber sind andere Umstände, die der Kläger als schmerzensgelderhöhend ansieht, nicht zu berücksichtigen. Dies betrifft zunächst die möglichen...