Leitsatz (amtlich)

Entspricht der bauliche Zustand einer Außentreppe dem geltenden (bzw. dem im Zeitpunkt der Errichtung geltenden) Bauordnungsrecht, ist der Verkehrssicherungspflichtige zu weiter gehenden Sicherungsmaßnahmen nur dann verpflichtet, wenn ihm eine besondere Gefahrenquelle bekannt war oder für ihn erkennbar gewesen wäre. Die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht dürfen dabei nicht überspannt werden.

 

Verfahrensgang

LG Dessau (Urteil vom 16.11.2004; Aktenzeichen 2 O 610/02)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16.11.2004 verkündete Urteil des LG Dessau (2 O 610/02) abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Berufung des Klägers gegen das am 16.11.2004 verkündete Urteil des LG Dessau (2 O 610/02) wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt Schadensersatz nach einem Sturz auf einer Treppe. Der Kläger ist Mieter in dem Haus, das im Eigentum der Beklagten steht. Unstreitig handelt es sich bei dem Haus um einen sog. Plattenbau des Typs WBS 70, der im Beitrittsgebiet bis 1991 gebaut wurde. Die streitgegenständliche Treppe entspricht dem Standard des genannten Haustyps. Die einzelnen Stufen, die ein Eigengewicht von rund 150 kg haben, liegen lediglich auf den Schenkeln des Treppenkörpers auf, sind mit diesem aber nicht festverbunden. Die Standsicherheit ergibt sich aus dem Eigengewicht der Stufen. Am 27.7.2001 stieg der Kläger die streitgegenständliche Treppe hinunter. Nach seinem Vortrag rutsche er von der 6. Stufe von unten ab, weil die Stufe beim Betreten nach vorne gekippt sei und sich im hinteren Bereich mit der darüber liegenden Stufe verhakt habe. Der rechte Arm des Klägers war im Unfallzeitpunkt eingegipst. Der Kläger wurde durch den Unfall erheblich verletzt. Er nimmt die Beklagte unter dem Gesichtspunkt einer Verkehrssicherungspflichtverletzung auf Schadensersatz (Schmerzensgeld/Verdienstausfall/Haushaltshilfekosten u.a.) in Anspruch. Die Beklagte ist dem Anspruch entgegen getreten und hat ausgeführt, dass eine Verkehrssicherungspflichtverletzung nicht vorliege. Sie habe durch ihre Mitarbeiter den Zustand der Treppen und auch der streitgegenständlichen Treppe jeden Monat überprüfen lassen - letztmalig vor dem Unfallgeschehen am 3.7.2001 -, dabei seien keine Mängel an der Treppe insb. auch kein "kippeln" der 6. Treppenstufe festgestellt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrages der Parteien und der in erster Instanz gestellten Anträge wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Bl. 94-109 II).

Das LG hat Beweis erhoben. Wegen der in Bezug genommenen Sitzungsniederschriften wird auf die Aufzählung S. 5 des angefochtenen Urteils (Bl. 98 II) verwiesen.

Das LG hat der Klage dem Grunde nach stattgegeben, der Höhe nach jedoch nur zum Teil. Zur Begründung hat das LG ausgeführt: Das Unfallgeschehen selbst stehe zur Überzeugung des Gerichts nach der Beweisaufnahme fest. Es liege auch eine Verkehrssicherungspflichtverletzung vor. Der Verwendung des Treppentyps stünden zwar Regelungen der BauO-LSA nicht entgegen. Es habe aber eine Nachrüstungs- und Nachbesserungspflicht der Beklagten bestanden, weil eine Unzuträglichkeit des Mietobjekts (los aufliegende Stufen) durch Anpassung an neuere Wohnstandards (feste Verbindung der Stufen mit den Schenkeln) hätte beseitigt werden müssen. Der Annahme einer Verkehrssicherungspflichtverletzung stehe nicht entgegen, dass die Beklagte die Treppe regelmäßig habe kontrollieren lassen, weil die Benutzung grundsätzlich nicht gefahrlos - unter Berücksichtigung auch eines naheliegenden Fehlverhaltens eins Treppennutzers - begangen werden können. Der Anspruch sei der Höhe nach nur zum Teil - insb. zur Höhe des Schmerzensgeldes und des Verdienstausfallschadens - begründet.

Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit der Berufung. Die Beklagte will vollständige Klageabweisung erreichen. Der Kläger verfolgt seinen ursprünglichen Zahlungsantrag in voller Höhe weiter und ist darüber hinaus der Ansicht, dass auch sein Feststellungsantrag begründet sei.

Die Beklagte wendet sich gegen die Feststellung des LG, dass eine Verkehrssicherungspflichtverletzung vorliege. Sie verweist insb. darauf, dass die Treppe typisch für die Plattenbauten des Typs WBS 70 sei und DDR-weit errichtet worden sei. Auch zu DDR-Zeiten habe eine Treppe standsicher und sicher begehbar sein müssen, sodass auch keine generelle Nachrüstungs- und Nachbesserungspflicht bestanden habe. Die Beklagte ist weiter der Ansicht, dass eine Pflichtverletzung auch deshalb ausscheide, weil sie die Treppe regelmäßig habe kontrollieren lassen. Dabei seien keine Mängel festgestellt worden. Die Mieter des Hauses hätten ihr auch zu keinem Zeitpunkt vor dem streitgegenständlichen Unfallgeschehen Mängel an der Treppe ("kippeln") angezeigt. Die Beklagte ist weiter der Ansicht, dass sich - bei Annahme einer Haftung dem Grunde ...

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