Leitsatz (amtlich)
1. Die Drittwiderspruchsklage erfordert ein die Veräußerung hinderndes Recht des Klägers am Vollstreckungsgegenstand, z.B. wenn eine gepfändete Forderung bereits vor der Pfändung an ihn übertragen, folglich abgetreten war.
2. Die Drittwiderspruchsklage schließt in ihrem Anwendungsbereich jede auf eine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage gestützte Klage aus, solange die Zwangsvollstreckung nicht beendet ist.
3. Der Arrest als Form des einstweiligen Rechtsschutzes dient nur der Sicherung der Zwangsvollstreckung und tritt nicht an deren Stelle, bringt also nicht das Recht zur Verwertung mit sich. Gleichwohl ist die Drittwiderspruchsklage schon angesichts solcher Sicherungsmaßnahmen zulässig.
4. Geht eine Pfändung ins Leere, z.B. weil das zu pfändende Recht vor der Zustellung der Pfändungsverfügung an den Drittschuldner auf einen anderen übergegangen ist, so hindert das dessen Drittwiderspruchsklage nicht. Diese dient auch der Beseitigung des Anscheins eines Vollstreckungszugriffs, um so schon die Gefährdung des eigenen Rechts abzuwenden.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 25.08.2011; Aktenzeichen 5 O 1316/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 25.8.2011 verkündete Urteil des LG Halle teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die mit Pfändungsverfügung des Finanzamtes H. -S. vom 19.4.2010, Aktenzeichen: 110/106/06162 VO710, vorgenommene Zwangsvollstreckung in Kaufpreisansprüche der R. GmbH aus H. gegen Herrn J. M. aus B. wird im Umfang von 223.854,29 EUR (Angebot/Gutschrift Nr. 3469 2010 der Fa.M. Gold und Silber Ankauf & Verkauf) und bis zu weiteren 49.511,93 EUR (Kaufvertrag über 2.125,50g am 19.4.2010 in B. übergebenes 750 Altgold/Schmuckgold) für unzulässig erklärt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat das beklagte Land zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Land darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 Prozent des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
und beschlossen:
Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 279.531 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung des beklagten Landes wegen einer Steuerschuld von 392.799,12 EUR gegen die R. GmbH in Form einer Pfändungsverfügung des Finanzamtes H. -S. vom 19.4.2010, betreffend bestehende und künftige Forderungen der Schuldnerin gegen Herrn J. M. aus Werk- bzw. Werklieferungs- und Kaufverträgen (Bd. I Bl. 13 f. d.A.).
Zwischen der Klägerin (damals noch V. GmbH) und der R. GmbH besteht ein Rahmenvertrag über die Lieferung und den Verkauf von Alt- und Schmuckgold vom 17./19.2.2010 (Bd. I Bl. 17-21 d.A.). In Ziff. 6 dieser Vereinbarung behält sich die Klägerin als Verkäuferin das Eigentum an den Lieferungen vor. Hierzu heißt es in Ziff. 6.2 u.a.:
"... Der Käufer ist zur Weiterveräußerung der Vorbehaltsware im normalen Geschäftsverkehr berechtigt. Die Forderungen des Abnehmers aus der Weiterveräußerung der Vorbehaltsware tritt der Käufer schon jetzt an uns in Höhe des mit uns vereinbarten Faktura-Endbetrages (einschließlich Mehrwertsteuer) ab ...".
Am 16.4.2010 stellte die Klägerin der R. GmbH für 9.874,50g Altgold/Schmuckgold 230.019,07 EUR brutto in Rechnung (Anlage B4 - Bd. I Bl. 92 d.A.). Über diese Menge verhält sich ein Lieferschein vom 15.4.2010, wonach das Gold am 16.4.2010 von M. nach P. geliefert werden sollte (Anlage K3, B6 - Bd. I Bl. 22, 94 d.A.). Eine weitere Rechnung für 2.125,50g Gold folgte am 19.4.2010 über 49.511,93 EUR brutto (Anlage B5 - Bd. I Bl. 93 d.A.). Der Lieferschein der Klägerin stammt vom gleichen Tag (Anlage B7 - Bd. I Bl. 24, 95 d.A.). Beide Rechnungen wurden nicht bezahlt (Bd. I Bl. 7 d.A.). Am 19.4.2010 schrieb der Zeuge J. M. der R. GmbH 223.854,29 EUR für 7.700g Feingold gut (Anlage B9 - Bd. I Bl. 99 d.A.). Beträge von 66.185,43 EUR und 226.730,70 EUR (Anlagen B10 u. B11 - Bd. I Bl. 100, 101 d.A.) wurden am gleichen Tag zugunsten der I. GmbH abgerechnet.
Die Pfändungsverfügung des Finanzamtes H. -S. übergab der Vollziehungsbeamte des Finanzamtes St. dem Zeugen M. am 19.4.2010 als Telefaxkopie. Ein Bediensteter des Finanzamtes H. -S. händigte dem Drittschuldner am 6.5.2010 eine Ausfertigung der Pfändungsverfügung aus.
Auf die Pfändungsverfügungen des Finanzamtes B. -W. vom 16.4.2010 (Bd. I Bl. 11/12 d.A.) und des Finanzamtes H. -S. vom 19.4.2010 zahlte der Drittschuldner M. am 19.4.2010 in zwei Teilbeträgen 292.916,13 EUR und am 20.4.2010 nochmals 223.854,29 EUR, mithin insgesamt 516.770,42 EUR (Bd. II Bl. 109 d.A.). Auf Grund der Gutschrift vom 19.4.2010 (Anlage B9 - Bd. I Bl. 99 d.A.) wurden 223.854,29 EUR intern der Vollstreckungsschuldnerin R. GmbH und 292.916,13 EUR der Vollstreckungsschuldnerin des Finanzamtes B. -W., I. GmbH, zugeordnet.
Eine Einziehungsverfügung existiert ni...