Leitsatz (amtlich)
Durch die Angabe der tatsächlichen Mieterträge in einer dem Kaufvertrag als Anlage beigefügten Mieterliste kann eine konkludente Vereinbarung insofern liegen, als die Vermietbarkeit einer bestimmten Anzahl von Wohneinheiten als Beschaffenheit vereinbart ist.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 12.05.2023; Aktenzeichen 3 O 259/22) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12. Mai 2023 verkündete Einzelrichterurteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Halle unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) 108.793,54 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. September 2022 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin zu 1) 2.571,17 Euro vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. September 2022 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Gerichtskosten der ersten Instanz und den erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen die Kläger zu 2) und 3) jeweils 1/3. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten erster Instanz der Klägerin zu 1) sowie 1/3 der Gerichtskosten erster Instanz. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten der ersten Instanz selbst.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
A. Die verbliebene Klägerin zu 1) macht gegen die Beklagte Ansprüche wegen Sachmängeln an einer Immobilie geltend.
Wegen der Einzelheiten des in erster Instanz unstreitigen und streitigen Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Ergänzend und klarstellend wird ausgeführt:
Das Landgericht hat durch Urteil vom 12. Mai 2023 der Klage bis auf einen Betrag in Höhe von 547,96 Euro stattgegeben soweit sie nicht bereits zurückgenommen worden war. Die Rücknahme betraf die ehemaligen Kläger zu 2) und 3), die beiden Gesellschafter der Klägerin zu 1).
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin zu 1) einen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung des Mehrbetrages in Höhe von 97.500,00 Euro gemäß § 437 Nr. 2, 441 Abs. 4 BGB habe, da ihr ein Minderungsrecht zustehe. Die streitgegenständliche Immobilie sei mangelhaft, da für die Dachgeschosswohnung keine Baugenehmigung vorgelegen habe. Der Soll-Zustand sei hingegen eine Immobilie mit acht Wohneinheiten gewesen. Die Vermietbarkeit von acht Wohneinheiten habe die Beklagte garantiert, dies ergebe sich aus der Mieterliste, die Bestandteil des notariellen Kaufvertrages sei. Eine Garantie ergebe sich allein aus der Nennung der Anzahl der Wohnungen und der damit zu erzielenden Netto-Kaltmieten. Hinsichtlich der acht Mietwohnungen und deren Vermietbarkeit, nicht deren tatsächliche Vermietung, handele es sich um eine Beschaffenheitsvereinbarung. Wegen der fehlenden Baugenehmigung sei zumindest die Dachgeschosswohnung aber nicht vermietbar. Die fehlende Baugenehmigung stelle einen Sachmangel dar, da es an der baurechtlich gesicherten Befugnis fehle, das Objekt für den vertraglich vorausgesetzten Zweck zu nutzen.
Der vereinbarte Ausschluss der Sachmängelhaftung gelte nicht soweit eine Beschaffenheitsvereinbarung bestehe. Dies sei hinsichtlich der Nettomieten aber der Fall.
Eine von der Klägerin zu 1) gesetzte Frist zur Nacherfüllung sei erfolglos abgelaufen. Eine Baugenehmigung konnte nicht vorgelegt werden. Nachfolgend sei die Minderung gegenüber der Beklagten erklärt worden.
Die 350,00 Euro Nettokaltmiete für die Dachgeschosswohnung machten 9,71 % an den gesamten Nettomieteinnahmen aus, weshalb eine Minderung von 97.100,00 Euro gerechtfertigt sei.
Darüber hinaus bestehe ein Anspruch auf Ersatz der anteilig zu viel entrichteten Kosten für Makler, Notar, Grundbuch und Grunderwerbssteuer gemäß §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB in Höhe von insgesamt 12.144,99 Euro.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung und führt aus, das Landgericht habe zu Unrecht eine Zahlung an die Kläger tenoriert, obwohl die Kläger zu 2) und 3) ihre Klage zurückgenommen hatten. Dies sei formell fehlerhaft.
Darüber hinaus bestehe kein Anspruch der Klägerin zu 1). Der Kaufvertrag formuliere ausdrücklich in Ziffer IV. 1, dass keine Beschaffenheit vereinbart sei und im Übrigen ein Sachmängelhaftungsausschluss im üblichen Umfange bestehe.
Zwar stelle das Fehlen einer Baugenehmigung einen Sachmangel dar, aber hier greife der ausdrücklich vereinbarte Ausschluss der Mängelhaftung. Vorsatz oder Arglist sei ...