Leitsatz (amtlich)
Bei der behördlichen Entscheidung über die Genehmigung nach dem GrdstVG kann die Nichtberücksichtigung des in der Rechtsprechung anerkannten ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals, wonach eine Genehmigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG nicht versagt werden kann, wenn kein anderer Landwirt erwerbsbereit ist zu einem Preis, der mindestens 50 % über dem innerlandwirtschaftlichen Verkehrswert liegt, zu einer schuldhaften Amtspflichtverletzung führen.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 18.10.2022; Aktenzeichen 4 O 277/20) |
Tenor
Unter Zurückweisung der Anschlussberufung des Beklagten wird auf die Berufung des Klägers das am 18. Oktober 2022 verkündete Einzelrichterurteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Halle teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 35.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. Juli 2020 zu zahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
A. Der Kläger macht gegen die Beklagte (Amtshaftungs-) Ansprüche nach der rechtswidrigen Versagung zweier Grundstücksverkehrsgenehmigungen geltend.
Wegen der Einzelheiten des in erster Instanz unstreitigen und streitigen Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Ergänzend und klarstellend wird ausgeführt:
Das Landgericht hat der Klage durch Urteil vom 5. August 2022 teilweise in Höhe von 17.628,76 Euro stattgegeben, sie im Übrigen abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger gegen den beklagten Landkreis einen Anspruch auf Zahlung von 17.628,76 Euro gemäß § 1 Abs. 1 EntschG LSA habe. Ein Anspruch aus einer besonderen Rechtsvorschrift für den Schadensausgleich bestehe nicht, auf einen Amtshaftungsanspruch gemäß § 829 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG komme es wegen der Anspruchskonkurrenz, § 1 Abs. 3 EntschG LSA, an dieser Stelle nicht an.
Die Versagung der Genehmigung nach dem Grundstückverkehrsgesetz, die zu einer verzögerten Grundstücksveräußerung führe, stelle einen unmittelbaren hoheitlichen Eingriff in die Veräußerungsbefugnis dar, welche wiederum zum Kernbereich des Eigentums gehöre. Für das Grundstück zur UR-Nr. 188/15 stehe nach der Rechtskraft der Entscheidung des Amtsgerichts Halle fest, dass die Versagung durch den Beklagten eine objektiv fehlerhafte und damit rechtswidrige Entscheidung gewesen sei.
Auch für das Grundstück zur UR.-Nr. 187/15 liege eine rechtswidrige Versagung vor. Es sei zu berücksichtigen, dass sich aus den Kaufpreissammlungen für die Gemarkung G. Preise in Höhe von 2,32 Euro/m2 und 2,50 Euro/m2 ergäben. Hiermit hätte der Beklagte sich auseinandersetzen müssen, wenn der Ausnahmetatbestand des § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG herangezogen werden solle. Die höheren Preise in den Kaufpreislisten hätten Anlass geben müssen, erhöhte Anforderungen an ein grobes Missverhältnis zu stellen. Der Beklagte habe auch nicht dargelegt, weshalb diese Vergleichspreise nicht herangezogen werden könnten. Im Vergleichswertverfahren sei der Preis herangezogen worden, der für Grundstücke gleicher Art und Lage im Zeitpunkt des Abschlusses üblich gewesen sei. Hierbei sei nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG auf den konkreten Wert des Grundstückes abzustellen, nicht auf durchschnittliche Preise. Der Beklagte habe nicht substantiiert darlegen können, weshalb der innerlandwirtschaftliche Verkehrswert für das konkrete Grundstück unter 2 Euro liege. Der Kläger hingegen habe durch Vorlage der Kaufpreislisten substantiiert dargelegt, dass im streitgegenständlichen Bezirk Preise oberhalb von 2,00 Euro erzielbar gewesen seien.
Die angemessene Entschädigung nach § 1 Abs. 1 EntschG LSA sei unter Berücksichtigung des dem Kläger vorenthaltenen wirtschaftlichen Wertes des Veräußerungserlöses sowie der weiterhin bestehenden Nutzbarkeit des Grundstückes zu ermitteln. Dem Gericht erscheine in Anlehnung an § 36 Abs. 2 PrEnteigG vier Prozent jährliche Zinsen angemessen, was den ausgeurteilten Anspruch ergebe.
Es bestehe kein weitergehender Amtshaftungsanspruch, § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 Abs. 1 GG, da den Beklagten kein Verschulden treffe. Es gelte gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 GrdstVG für die Bearbeitung ein Beschleunigungsgebot, was sich auf den Sorgfaltsmaßstab im Rahmen des Verschuldens auswirke. Nicht jeder objektive Rechtsirrtum begründe auch einen Verschuldensvorwurf. Vorwerfbar sei die objektiv unrichtige Gesetzesauslegung oder Rechtsanwendung, wenn sie gegen den eindeutigen Wortlaut der Norm verstoße. Dies sei nicht der Fall, da § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG ein grobes Missverhäl...