Leitsatz (amtlich)

1. Geht eine Berufungsschrift bzw. eine Berufungsbegründungsschrift im elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach bei Gericht ein, ist es für die Wahrung der Frist ohne Belang, dass die Angaben zur Rechtsanwaltskanzlei in Visitenkarte und Zertifikat laut Prüfunterlagen nicht identisch sind. Maßgeblich ist allein, dass ein mit einer gültigen anwaltlichen Signatur versehener Schriftsatz rechtzeitig eingegangen ist.

2. Die bloße Vereinbarung, die es einem Grundstückseigentümer erlaubt, sein ansonsten nicht an den öffentlichen Abwasserkanal angeschlossenes Grundstück mit einer auf eigene Kosten errichteten Leitung an die Abwasserleitung des Nachbarn anzuschließen, begründet grundsätzlich keine Gemeinschaft im Sinne der §§ 741 ff. BGB.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Urteil vom 27.04.2018; Aktenzeichen 6 O 393/16)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 27. April 2018 verkündete Einzelrichterurteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Halle wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

 

Gründe

I. Wegen der Einzelheiten des in erster Instanz unstreitigen und streitigen Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils in der Fassung durch den Berichtigungsbeschluss vom 6. Juni 2018 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Ergänzend und klarstellend wird ausgeführt:

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe gegen die Beklagten keinen Anspruch aus § 1004 BGB auf Duldung des Abflusses über deren Grundstücke (Klageantrag zu 1) und Unterlassen der Behinderung des Abflusses über deren Grundstücke (Klageantrag zu 3). Auch bei unterstelltem Miteigentum der Klägerin an der Abwasserleitung sei ein Anspruch gemäß § 1004 Abs. 2 BGB ausgeschlossen. Die Pflicht der Klägerin zur Duldung folge aus §§ 903, 905 S. 1, 2. Alternative BGB. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass ihr zusätzlich zu ihrem unterstellten Miteigentum an der Abwasserleitung ein Anspruch auf deren Verbleib im Grundstück der Beklagten zustehe. Ein solcher Anspruch folge nicht aus § 1018 BGB, weil eine entsprechende Grunddienstbarkeit nicht existiere. Das Schreiben der H. Wasser- und Abwasser GmbH vom 12. Februar 2003 begründe keinerlei Verpflichtungen der Beklagten, sondern enthalte allein Auflagen gegenüber Herrn S. als Bauherrn.

Ein Anspruch auf Verbleib der Abwasserleitung folge auch nicht aus einer schuldrechtlichen Vereinbarung mit den Beklagten. Dass die Beklagten ihr ein schuldrechtliches Nutzungsrecht an ihren Grundstücken eingeräumt hätten, habe die Klägerin schon nicht behauptet. Soweit die Klägerin eine schuldrechtliche Vereinbarung, und sei es auch nur in Form eines stillschweigend geschlossenen Gesellschaftsvertrages, zwischen der Voreigentümerin ihres Grundstücks, der PGH M., und der damaligen D. aus den 60-iger Jahren des vorigen Jahrhunderts behaupte, wirke diese gegenüber dem Sonderrechtsnachfolger in das Grundstückseigentum nur, wenn sie von diesem übernommen wurde. Eine solche Übernahme durch die Beklagten habe die Klägerin ebenfalls nicht behauptet. Die Beklagte zu 2) und Herr S. seien lediglich Sondernachfolger in das Grundstückseigentum und nicht Gesamtrechtsnachfolger der D. bzw. der PGH M..

Selbst unter der Annahme einer langjährigen stillschweigenden Duldung, also eines Gewohnheitsrechts, wirke diese nicht gegen den Sonderrechtsnachfolger und sei gemäß § 604 Abs. 3 BGB jederzeit kündbar. Eine solche Kündigung sei in dem anwaltlichen Scheiben vom 4. Oktober 2012 zu sehen, dies war auch nicht zur Unzeit, sondern mehr als vier Jahre vor der tatsächlichen Trennung der Abwasserleitung im Jahre 2017.

Schließlich stehe der Klägerin auch kein Notleitungsrecht gemäß § 917 Abs. 1 BGB zu. Dem Grundstück der Klägerin fehle nicht die notwendige Verbindung zur öffentlichen Entwässerung, denn ein öffentlicher Entwässerungskanal verlaufe in der angrenzenden G. Straße. Ein Notleitungsrecht bestehe auch nicht deshalb ausnahmsweise, weil die Kosten für die Schaffung eines Zugangs im Verhältnis zum Gesamtertrag des Grundstücks die Opfergrenze überschreiten würden. Es sei schon nicht plausibel, inwiefern die Klägerin den Anschluss an die G. Straße nur über einen schon realisierten, höher gelegenen Anschluss in der Größe von DN 150 realisieren könne. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass es technisch nicht möglich sei, an einem niedriger gelegenen Punkt der G. Straße einen größer dimensionierten Anschluss zu errichten. Jedenfalls sei die Opfergrenze selbst unter Zugrundelegung ihrer eigenen Berechnungen nicht erreicht. Monatliche Entwässerungskosten von 933,00 EUR führten bei einer Abschreibung von 20 Jahren z...

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