Verfahrensgang

LG Magdeburg (Urteil vom 17.06.2021; Aktenzeichen 10 O 1883/20)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 17.06.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Magdeburg wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

und beschlossen

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Stufe bis 6.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird abgesehen (§§ 313a Abs. 1 S. 1, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus §§ 826, 31 BGB bzw. § 831 BGB, denn das Fahrzeug verfügt zwar über zumindest eine unzulässige Abschalteinrichtung: gleichwohl liegt mangels Täuschung des KBA sowie wegen fehlendem Unrechtsbewusstsein der Beklagten keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung i.S.d. § 826 BGB vor: zudem ist infolge Nichtbestehens einer Stilllegungsgefahr auch kein Schaden entstanden.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung liegt eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung eines Fahrzeugkäufers vor, wenn der Motorenhersteller auf der Grundlage einer grundlegenden strategischen Entscheidung durch bewusste und gewollte Täuschung des KBA einen Motor in Verkehr bringt, dessen Steuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten werden, denn damit geht einerseits die Gefahr einer erhöhten Umweltbelastung, und andererseits die Gefahr einer Betriebsbeschränkung- oder -untersagung einher (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn, 16; OLG Hamm, Urt. v. 22.06.2021, 13 U 194/20, Rn. 49).

Beim OBD-System handelt es sich um ein Fahrzeugdiagnosesystem und damit bereits um keine Abschalteinrichtung (vgl. OLG Oldenburg, Urt. v. 14.05.2021, 6 U 310/20, Rn. 91 ff; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.05.2021, 18 U 526/19, Rn. 37 ff; jeweils zitiert nach juris).

Im streitgegenständlichen Fahrzeug ist zwar unstreitig eine Fahrkurve verbaut, Diese stellt für sich betrachtet aber ebenfalls keine Abschalteinrichtung dar (vgl. OLG Naumburg; Urt. v. 31.05.2021, 12 U 35/21, Rn. 16; OLG Stuttgart, Urt. v. 18.05.2021, 16a U 1576/20, Rn. 26; OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.05.2021, 18 U 526/19, Rn. 43; jeweils zitiert nach juris). Dementsprechend kann auch dahingestellt bleiben, ob das Fahrzeug den Prüfstand zusätzlich über den Lenkwinkel erkennt.

Hinsichtlich des streitgegenständlichen EA288 EU5 ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, welche unzulässige Abschalteinrichtung an die Fahrkurve anknüpfen soll; insbesondere kann es bei einem EA288 EU 5 keine Drosselung der AdBlue-Dosierung außerhalb des Prüfstandes geben, weil ein solches Fahrzeug nicht über einen SCR-Katalysator verfügt. Der Kläger trägt selbst vor. dass er die genaue Funktion der Abschalteinrichtung nicht darlegen kann (Bl. 4 II d.A.); insoweit fehlt es im Hinblick auf die von der Beklagten vorgelegten Auskünfte des KBA, wonach in dem streitgegenständlichen Motor keine unzulässigen Abschalteinrichtungen verbaut sei (vgl. Auskünfte an das OLG München vom 23.02.2021, an das LG Aschaffenburg vom 08.03.2021 und an das LG Bonn vom 11.11.2020; Anlagenkonvolut B 17), auch an hinreichenden Anhaltspunkten, welche eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten auslösen könnten.

Im Übrigen ist hier keine Täuschung des KBA durch die Beklagte ersichtlich (vgl. BGH, Beschl. v. 09.03.2021, VI ZR 889/20, Rn, 24, OLG Frankfurt, Urt. v. 28.09.2021, 24 U 208/20, Rn. 38, 44; OLG Hamm, Urt. v. 29.06.2021, 13 U 434/20, Rn, 94, 95; OLG Naumburg, Urt. v. 31.05.2021, 12 U 35/21, Rn. 21: OLG Oldenburg, Urt. v. 14.05.2021, 6 U 310/20, Rn. 57; jeweils zitiert nach juris). Vielmehr geht aus dem Schreiben der Beklagten an das KBA vom 29.12.2015 (Anlage BE1) sowie den von der Beklagten vorgelegten amtlichen Auskünften des KBA an das OLG München vom 23.02.2021 und an das LG Aschaffenburg vom 08.03.2021 (Anlagenkonvolut B 17) hervor, dass die Fahrkurve dort seit Ende 2015 bekannt war. Das KBA hat in den vorgenannten Auskünften ausgeführt, dass die Fahrkurve als solche keine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle und dass auch bei deren Deaktivierung die Grenzwerte eingehalten würden (vgl. OLG Köln, Urt. v. 20.06.2021, 5 U 254/19, Rn. 38; OLG Hamm, Urt. v. 29.06.2021, 13 U 434/20, Rn, 88, 89; OLG München, Urt. v. 15.06.2021, 9 U 5466/20, Rn. 38 ff; OLG Hamm, Urt. v. 14.06.2021, 8 U 156/20, Rn. 40; OLG Stuttgart, Urt. v. 18.05.2021, 16a U 1576/20, Rn, 39; OLG Oldenburg, Urt. v. 14.05.2021, 6 U 310/20, Rn. 90; jeweils zitiert nach juris).

Vor diesem Hintergrund kann auch kein Unrechtsbewusstsein bzw. kein Vorsatz der Beklagten festgestellt werden. Wenn das KBA als zuständige Fachbehörde die Rechtsauffassung vertritt dass eine Fahrkurvenerkennung für sich betrachtet unproblematisch und eine hieran anknüpfende Umschaltung erst dann eine unzulässige Abschalteinrichtung sei, wenn sie sich auf die Einh...

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