Leitsatz (amtlich)
1. Trotz § 513 Abs. 2 ZPO hat das Berufungsgericht die internationale Zuständigkeit von Amts wegen zu prüfen; das Bejahen oder Verneinen der internationalen Zuständigkeit kann, auf Grund deren Einflusses auf das anzuwendende internationale Privatrecht sowie auf das Verfahrensrecht, die sachliche Entscheidung des Prozesses vorwegnehmen.
2. Verteidigt die ausländische Partei die Entscheidung des LG, das mit der deutschen Partei von der Anwendung deutschen Rechts ausgeht, so liegt darin eine konkludente Rechtswahl, die auch noch in der Berufungsinstanz möglich ist (entschieden zu Art. 27 EGBGB a.F.).
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Urteil vom 11.09.2012; Aktenzeichen 9 O 819/12) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 11.9.2012 verkündete Urteil des LG Magdeburg wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
Dieses, wie auch das angefochtene Urteil des LG Magdeburg sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
und beschlossen:
Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 6.524,78 EUR festgesetzt.
Gründe
Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 543 Abs. 1, 544 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO abgesehen.
[A] Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht auf keiner Rechtsverletzung, denn die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Das international zuständige LG hat den nach deutschem Recht zu beurteilenden Kaufpreisanspruch der Klägerin (§§ 651 Satz 1, 433 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 2, 20 Abs. 1 Nrn. 1 u. 2, Abs. 2 UmwG) auf die Einrede der Beklagten zutreffend als verjährt behandelt, womit die Beklagte unabhängig von der Frage, ob ihre Aufrechnung zum Erlöschen des Anspruchs führte, die Leistung zu Recht verweigert (§§ 214 Abs. 1, 194 Abs. 1, 195, 199 Abs. 1, 203 Satz 1, 209, 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB).
I. Die deutschen Gerichte sind zur Entscheidung in der Sache berufen.
1. Trotz § 513 Abs. 2 ZPO hat das Berufungsgericht die internationale Zuständigkeit von Amts wegen zu prüfen. Das Bejahen oder Verneinen der internationalen Zuständigkeit kann auf Grund deren Einflusses auf das anzuwendende internationale Privatrecht sowie auf das Verfahrensrecht die sachliche Entscheidung des Prozesses vorwegnehmen, womit nicht davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber diese Frage durch § 513 Abs. 2 ZPO einer Überprüfung durch die Berufungsgerichte entziehen wollte (BGH, Urt. v. 16.12.2003 - XI ZR 474/02 - BeckRS 2004, 01423; NJW 2003, 426 f. - für die Revision; Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 513 Rz. 8; Zöller/Geimer, IZPR Rz. 94).
2. Das LG hat ausgeführt, die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte sei gegeben. Der Erfüllungsort habe in Deutschland gelegen. Der von der Beklagten für sich in Anspruch genommene niederländische Gerichtsstand sei zwischen den Parteien nicht wirksam vereinbart. Schon die Übersendung der Anlage K8 habe den Vertrag zustande gebracht. Dort sei kein Hinweis auf die Einkaufsbedingungen der Beklagten enthalten gewesen. Zudem sei die Vertragssprache eher Deutsch, so dass auf die Einkaufsbedingungen der Beklagten in deutscher Sprache hätte aufmerksam gemacht werden müssen.
Dies trifft im Ergebnis zu.
3. Die internationale Zuständigkeit ist der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) zu entnehmen. Die Verordnung ist auf alle nach dem 1.3.2002 erhobene Klagen anzuwenden (Art. 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3; 66 Abs. 1; 76 EuGVVO).
a) Eine niederländische Gesellschaft, wie die Beklagte, kann außerhalb ihres Sitz-, Hauptverwaltungs- oder Hauptniederlassungsstaates (Art. 60 Abs. 1; 59 Abs. 2 EuGVVO; nach den vorgelegten Registerauszügen Sitz in E.) nach Wahl des Klägers nur vor einem deutschen Gericht verklagt werden, wenn sich einer der Gerichtsstände der Art. 5 bis 24 EuGVVO feststellen lässt. Gemäß Art. 5 Nr. 1 Bst. a) EuGVVO ist das für Ansprüche aus Verträgen der Fall, wenn sich der Erfüllungsort in Deutschland befindet. Speziell für Kaufverträge über bewegliche Sachen regelt Art. 5 Nr. 1 Bst. b) EuGVVO einen autonom definierten prozessrechtlichen Erfüllungsort, an dem vereinbarungsgemäß die Lieferung stattzufinden hat. Dieser Gerichtsstand gilt für alle Ansprüche aus dem Kaufvertragsverhältnis, insbesondere für den Anspruch auf die Zahlung des Kaufpreises (Zöller/Geimer, Art. 5 EuGVVO Rz. 4; PG/Pfeiffer, ZPO, 5. Aufl., Art. 5 EuGVO Rz. 8). Dieser Ort war unstreitig B. in Sachsen-Anhalt.
Abweichendes haben die Parteien nicht vereinbart, ohne dass an dieser Stelle zu klären ist, ob ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen Einfluss auf den Vertragsinhalt nehmen. Die Einkaufsbedingungen der Beklagten enthalten keine Regelungen zum Erfüllungsor...