Verfahrensgang
LG Dessau-Roßlau (Urteil vom 04.10.2013; Aktenzeichen 2 O 29/13) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 4.10.2013 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Dessau-Roßlau vom 4.10.2013 abgeändert und wie folgt neu gefasst: Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 1.593,51 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 13.3.2012 zu zahlen.
Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, den Kläger von einer Gebührenverbindlichkeit gegenüber seinen Prozessbevollmächtigten in Höhe von 235,50 EUR freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 7/10 und die Beklagten 3/10 als Gesamtschuldner. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 5.490,61 EUR.
Gründe
I. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verb. mit § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II. Die gemäß §§ 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1, 517, 519f ZPO zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.
Das LG ist schon nach den eigenen Feststellungen zu Unrecht dem Grunde nach von einer Haftung von 100 v.H. zu Lasten der Beklagten ausgegangen.
Der Kläger hat gegen die Beklagten lediglich einen Schadensersatzanspruch aus dem Verkehrsunfall vom 9.1.2012 aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 bis 3, 18 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, 421 BGB in Höhe eines Drittels.
1. Der Unfall hat sich bei dem Betrieb des von der Beklagten zu 1. gefahrenen und bei der Beklagten zu 3. haftpflichtversicherten Fahrzeuges des Beklagten zu 2. sowie beim Betrieb des Fahrzeuges des Klägers i.S.d. § 7 Abs. 1 StVG ereignet, ohne durch höhere Gewalt i.S.d. § 7 Abs. 2 StVG verursacht worden zu sein.
2. Es lässt sich nicht feststellen, dass der Unfall für den Kläger oder die Beklagte zu 1. unabwendbar i.S.d. §§ 17 Abs. 3, 18 Abs. 3 StVG war. Unabwendbar ist ein Unfall nur dann, wenn er auch bei besonderer Umsicht und Sorgfalt über das gewöhnliche Maß hinaus nicht hätte verhindert werden können (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 17 StGB Rn. 22). Der Kläger hätte den Unfall hier vermeiden können, wenn er auf den Abbiegevorgang verzichtet hätte. Der Beklagten zu 1. ist vorzuwerfen, dass sie vor der Einmündung der K. Straße den rechten Fahrtrichtungsanzeiger gesetzt hat.
3. Die beiderseitigen Verursachungsanteile sind folglich gemäß §§ 17 Abs. 1, 18 Abs. 3 StVG gegeneinander abzuwägen. Zu berücksichtigen sind dabei alle festgestellten, d.h. unstreitigen, zugestandenen oder nach § 286 ZPO bewiesenen Umstände des Einzelfalls, wenn sie sich auf den Unfall ausgewirkt haben (BGH NJW-RR 2010, 839).
Gemäß § 17 Abs. 1 StVG hängt im Verhältnis der beteiligten Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Nach anerkannten Rechtsgrundsätzen (Hentschel, aaO, § 17 StVG Rn. 5; BGH NJW 2000, 3069) sind bei der Abwägung der beiderseitigen Verursacherbeiträge nur solche Umstände einzubeziehen, die erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden geworden sind.
a) Kommt es auf Straßenkreuzungen oder -einmündungen zu einem Zusammenstoß zwischen den Fahrzeugen eines nach links einbiegenden Wartepflichtigen und eines Vorfahrtberechtigten, so spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Wartepflichtige die Vorfahrt des Berechtigten schuldhaft verletzt hat (zuletzt OLG München, Urteil vom 06.9.2013 - 10 U 2336/13 -, juris mwN). Diesen Anschein hatte der Kläger zu widerlegen, was ihm nicht gelungen ist.
Verkehrsverstöße des Bevorrechtigten führen nicht zum Verlust der Vorfahrt, sondern i.d.R. nur zu einer Mithaftung (BGHSt. 20, 238; st. Rspr.). Der Wartepflichtige darf trotz eingeschalteter rechter Blinkleuchte des vorfahrtsberechtigten Fahrzeugs nur dann auf dessen Abbiegen vertrauen, wenn sich dieses außer durch die Betätigung der Blinkleuchte in der Gesamtschau der Fahrsituation - sei es durch eindeutige Herabsetzung der Geschwindigkeit, sei es durch den Beginn des Abbiegens selber - zweifelsfrei manifestiert (OLG Hamm, NJW-RR 2003, 975; OLG Saarbrücken, NJW-RR 2008, 1611).
Nach den tatsächlichen Feststellungen des LG ergeben sich hier konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die durch den Blinker angekündigte Abbiegeabsicht der Beklagten zu 1. in Zweifel ziehen und deshalb von einem Einfahren in die bevorrechtigte Straße Abstand nehmen musste. Aus der vom Senat durchgeführten informatorischen Anhörung der Parteien haben sich - außer dem Blinken - keine weiteren Anhaltspunkte ergeben, die für eine Abbiegeabsicht der Beklagten zu 1. sprechen könnten.
Zwar bestand zu Gunsten des Klägers zu Beginn von dessen Ausfahrvorgang durchaus ein Vertrauenstatbestand, dass die Beklagte zu 1. entsprechend dem gesetzt...