Leitsatz (amtlich)
Fehlt dem gerichtlichen Sachverständigen eine sichere Anknüpfungsgrundlage, um bei einer Krankentagegeldversicherung das Ende bzw. Fortbestehen einer Arbeitsunfähigkeit des Versicherungsnehmers wegen einer Depressionserkrankung zu bestimmen, stellt der Antrag des Versicherungsnehmers, auf Zeugenvernehmung der behandelnden Ärztin die ihn in der fraglichen Zeit krank geschrieben hatte, keinen unzulässigen Ausforschungsbeweis dar.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 26.11.2013; Aktenzeichen 5 O 1147/11) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten wird - unter Zurückweisung der weiter gehenden Rechtsmittel - das Urteil des LG Halle vom 26.11.2013, Az.: 5 O 1147/11, wegen des in Absatz 2 der Entscheidungsformel dem Kläger für die Zeit vom 23.05. bis zum 30.06.2011 in Höhe von 7.800 EUR nebst Zinsen zuerkannten Zahlungsantrags und wegen der in Absatz 3 ausgesprochenen Abweisung der Klage im Übrigen betreffend das für die Zeit vom 01.07.2011 bis zum 29.02.2012 verlangte Krankentagegeld nebst dem zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben.
2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung an das LG Halle zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, zurückverwiesen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
und beschlossen:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 56.000,-- EUR festgesetzt, wovon 48.800,-- EUR auf die Berufung und 7.200,-- EUR auf die Anschlussberufung entfallen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt oder begehrte die Feststellung dessen, dass seine bei der Beklagten ab dem 1.7.2006 bestehende Krankentagegeldversicherung nicht wegen Berufsunfähigkeit beendet worden sei, sondern, was mittlerweile außer Streit steht, fortbestehe, und macht zugleich noch die Zahlung von Krankentagegeld für die streitige Zeit vom 23.5.2011 bis zum 29.2.2012 wegen Arbeitsunfähigkeit in Höhe von 48.400,-- EUR geltend, nachdem die Beklagte für die Zeit von Anfang September 2009 bis zum 22.5.2011 das vereinbarte Krankengeld gezahlt hatte.
Der am 20.12.1963 geborene, als selbständiger Architekt tätige und seit dem 1.3.2012 wieder voll arbeitende Kläger schloss bei der Beklagten im Jahr 2006 eine Krankentagegeldversicherung, die ausweislich des Versicherungsscheins vom 18.12.2006 (Bl. 46 Bd. I d.A.) für den Fall der Arbeitsunfähigkeit ein kalendertägliches Krankentagegeld von 200 EUR vorsieht. Die vertraglich geltenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankentagegeldversicherung enthalten als Teil I die MB/KT 2009 (Bl. 48 - 53 Bd. I d.A.), worin sich namentlich folgende Regelungen finden:
§ 1 Gegenstand, Umfang und Geltungsbereich des Versicherungsschutzes
1 Der Versicherer bietet Versicherungsschutz gegen Verdienstausfall als Folge von Krankheiten oder Unfällen, soweit dadurch Arbeitsunfähigkeit verursacht wird. Er zahlt im Versicherungsfall für die Dauer einer Arbeitsunfähigkeit ein Krankentagegeld in vertraglichem Umfang.
2 Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen, in deren Verlauf Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird. Der Versicherungsfall beginnt mit der Heilbehandlung; er endet, wenn nach medizinischem Befund keine Arbeitsunfähigkeit und keine Behandlungsbedürftigkeit mehr bestehen. Eine während der Behandlung neu eingetretene und behandelte Krankheit oder Unfallfolge, in deren Verlauf Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird, begründet nur dann einen neuen Versicherungsfall, wenn sie mit der ersten Krankheit oder Unfallfolge in keinem ursächlichen Zusammenhang steht. Wird Arbeitsunfähigkeit gleichzeitig durch mehrere Krankheiten oder Unfallfolgen hervorgerufen, so wird das Krankentagegeld nur einmal gezahlt.
3 Arbeitsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgeht.
4...
§ 9 Obliegenheiten
1...
4 Die versicherte Person hat für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu sorgen; sie hat insbesondere die Weisungen des Arztes gewissenhaft zu befolgen und alle Handlungen zu unterlassen, die der Genesung hinderlich sind.
§ 10 Folgen von Obliegenheitsverletzungen
1 Der Versicherer ist mit den in § 28 Abs. 2 bis 4 VVG (siehe Anhang) vorgeschriebenen Einschränkungen ganz oder teilweise von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn eine der in § 9 Abs. 1 bis 6 genannten Obliegenheiten verletzt wird.
§ 15 Sonstige Beendigungsgründe
1 Das Versicherungsverhältnis endet hinsichtlich der betroffenen versicherten Personen
a)...
b) mit Eintritt der Berufsunfähigkeit. Berufungsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50 % erwerbsunfähig ist...
c)...
In der Zeit von September 2009 bis Ende Februar 2012 war der Kläger vornehmlich wegen einer Depressionserkrankung arbeitsunfähi...