Leitsatz (amtlich)
1. Die Erstellung eines wissenschaftlichen Aufsatzes, hier mit einem "bestellten" Ergebnis, fällt so sehr aus dem üblichen Rahmen anwaltlicher Tätigkeit für einen Mandanten heraus, dass sie von einer Vergütungsvereinbarung über "außergerichtliche und gerichtliche Tätigkeiten" nicht erfasst wird.
2. Auf den Vergütungsanspruch hierfür ist § 34 Abs. 1 RVG direkt oder entsprechend anwendbar; mündlichen oder konkludenten Vergütungsabreden steht § 4 Abs. 1 RVG a.F. nicht entgegen.
3. Beruft sich der Mandant auf eine unentgeltliche Leistungserbringung, so muss er den Nachweis der Unentgeltlichkeit führen.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 04.08.2008; Aktenzeichen 6 O 586/08) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 4.8.2008 verkündete Urteil des LG Halle (6 O 586/08) wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
und beschlossen:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.854,80 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger macht aus abgetretenem Recht Gebührenansprüche für die Erstellung eines Fachaufsatzes geltend. Die streitgegenständliche Forderung wurde dem Kläger mit Abtretungserklärung vom 10.4.2008 (Bl. 3) von der V. und Partner Partnerschaftsgesellschaft (i.F. Zedentin) abgetreten. Die Beklagte befasst sich (u.a.) mit der vorzeitigen Beendigung von kapitalbildenden Lebens- und Rentenversicherungen. In diesem Zusammenhang stellen sich - auch - Fragen nach dem Anfall von Kapitalertragssteuer. Nach dem Vortrag des Klägers kam es am 9.2.2007 zu einem Gespräch mit dem Geschäftsführer der Beklagten. In diesem Gespräch sei die Zedentin mit der Erstellung verschiedener steuerlicher Musterschreiben beauftragt worden, die von den Auftraggebern der Beklagten ihren Steuererklärungen beigefügt werden sollten. Außerdem sei die Zedentin mit der Erstellung eines Aufsatzes zu der vorgenannten Problematik zum Anfall von Kapitalertragssteuer beauftragt worden, wobei die Beklagte ausdrücklich auf die Entgeltlichkeit dieser Tätigkeit (auf Stundenlohnbasis) hingewiesen worden sei. Die Zedentin erstellte mit Datum vom 14.2.2007 (Bl. 4/4R) eine Vergütungsvereinbarung, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Nach dem Vortrag des Klägers wurde diese Vereinbarung an die Beklagte übermittelt und von dieser unterschrieben zurückgereicht. Die Beklagte bestreitet, dass die Vereinbarung von ihr, insbesondere einem ihrer (ehemaligen) Geschäftsführer unterzeichnet worden ist. Nach dem Vortrag des Klägers hat es am 14.3.2007 ein weiteres Gespräch über die Tätigkeit der Zedentin gegeben, insbesondere sei dort erneut - auch - über den zu erstellenden Aufsatz gesprochen worden. Den Inhalt des Gesprächs habe die Zedentin mit Schreiben vom 19.3.2007 (Bl. 31-33) zusammengefasst und der Beklagten übermittelt. Der Aufsatz selbst sei von Rechtsanwalt Dr. G. nach umfangreicher Recherche konzipiert und von Rechtsanwalt V. überarbeitet worden. Dafür hätten insgesamt 28 Arbeitsstunden (× 175 EUR) aufgewandt werden müssen, die die Zedentin mit der streitgegenständlichen Rechnung vom 10.4.2008 (Bl. 10) abgerechnet habe. Der Aufsatz wurde der Beklagten übergeben und zwischenzeitlich in der Zeitschrift D. (2008, 1883) veröffentlicht. Die Beklagte bestreitet nicht, einen Aufsatz bestellt zu haben, bestreitet aber, dass dafür ein Entgelt zu zahlen gewesen sei. Es habe sich vielmehr um eine - unentgeltliche - Akquisitionstätigkeit der Zedentin gehandelt.
Das LG hat zum Beweisthema wie Verfügung vom 18.6.2006 (Bl. 16 R) Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 22.7.2008 (Bl. 37-48).
Das LG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Sie rügt vorrangig, dass es für eine Vergütungsvereinbarung an der erforderlichen Schriftform aus § 4 Abs. 1 RVG a.F. fehle. Abgesehen davon, dass die Vergütungsvereinbarung vom 14.2.2007 nicht von ihr unterzeichnet worden sei, werde der Aufsatz dort nicht erwähnt. Im Übrigen rügt sie die Beweiswürdigung durch das LG. Zur Frage der Schriftform verweist der Kläger auf seinen erstinstanzlichen Schriftsatz vom 14.7.2008, aus dem sich ergebe, dass die gesetzlichen Gebühren höher seien, als die, die mit der streitgegenständlichen Rechnung auf der Basis der Gebührenvereinbarung geltend gemacht würden.
Der Senat hat den Parteien einen schriftlichen rechtlichen Hinweis erteilt. Der Senat hat Rechtsanwalt V. als Zeugen sowie den Geschäftsführer der Beklagten H. informatorisch angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 15.1.2009.
Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gem. § 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.
II. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel hat jedoch keinen...