Leitsatz (amtlich)
Den Verkäufer eines Grundstücks trifft grundsätzlich eine Nebenpflicht, an den Erwerber solche Schriftstücke herauszugeben, die dem Beweis des Eigentums an der Kaufsache dienen oder für deren Gebrauch erforderlich sind.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 23.08.2016; Aktenzeichen 8 O 56/15) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 17. März 2016 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer - 2. Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Halle wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem jeweiligen Urteil vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
und beschlossen:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Gebührenstufe bis 35.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Herausgabe von Unterlagen über ein von ihr gekauftes Wohnhaus.
Sie kaufte mit notariellem Kaufvertrag des Notars Dr. H., B., vom 22. Dezember 2014 (UR-Nr.: 95/2014) von der Beklagten ein Grundstück in H., welches mit einem aufstehenden Wohnhaus, bestehend aus 56 vermieteten Wohneinheiten, bebaut ist. Die Wohnfläche beträgt insgesamt 2.832 qm. Die Jahresnettokaltmiete beläuft sich auf 164.016,00 Euro. § 8 des notariellen Vertrages lautet u.a.:
"2. Die Rechte und Pflichten aus den Mietverträgen gehen kraft Gesetzes mit der Eigentumsumschreibung auf den Käufer über. Im Innenverhältnis vereinbaren Verkäufer und Käufer,
- dass die Rechte und Pflichten aus den Mietverträgen bereits am Übergabetag (§ 10.1.) auf den Käufer übergehen; der Verkäufer tritt mit Wirkung auf den Übergabetag daher alle Rechte und Ansprüche aus den Mietverträgen für den Zeitraum ab dem Übergabetag an den dies annehmenden Käufer ab. Soweit Rechte und die Ansprüche aus den Mietverträgen nicht abtretbar sind, ermächtigt und bevollmächtigt der Verkäufer den Käufer hiermit, diese Rechte und Ansprüche ab dem Übergabetag im Namen des Verkäufers, aber auf eigene Kosten, geltend zu machen;
- dass die nach dem Übergabetag (§ 10.1.) fälligen oder geleisteten Ansprüche aus den Mietverträgen, insbesondere die Mietansprüche, dem Käufer zustehen, soweit sie einen Zeitraum nach dem Übergabetag betreffen, werden die Ansprüche aus den Mietverträgen, soweit sie einen Zeitraum bis zum Übergabetag betreffen, dem Verkäufer zustehen;
- dass ferner dem Käufer etwaige vor dem Übergabetag (§ 10.1.) fällige und geleistete Zahlungen der genannten Art zustehen, die sich auf die Zeit nach dem Übergabetag beziehen;
- dass der Verkäufer den Käufer von solchen Ansprüchen aus den Mietverträgen freistellt, die sich auf den Zeitraum bis zum Übergabetag (§ 10.1.) beziehen, während der Käufer den Verkäufer von solchen Ansprüchen aus den Mietverträgen freistellt, die den Zeitraum nach dem Übergabetag betreffen.
...
"6. Der Käufer wird beginnend ab dem Kalenderjahr (einschließlich), in das der Übergabetag (§ 10.1.) fällt, die Nebenkostenabrechnung gegenüber den Mietern vornehmen. Verkäufer und Käufer werden sich hier zum Innenverhältnis die von ihnen jeweils bereits gezahlten Nebenkosten sowie von ihnen vereinnahmten Nebenkostenvorauszahlungen nachweisen. Die Parteien werden im Innenverhältnis die Nebenkosten für das laufende Jahr des Übergabetages stichtagsbezogen auf den Tag der Übergabe unter Anrechnung der vereinbarten Nebenkostenvorauszahlungen abrechnen. Die Parteien haben die für das laufende Jahr angefallenen, nicht umlegbaren Nebenkosten anteilig entsprechend dem Zeitpunkt des Übergabetages zu tragen, etwaige Fehl- oder Differenzbeträge sind zwischen den Parteien auszugleichen. Rechte und Pflichten aus den Nebenkostenabrechnungen betreffend die Jahre vor der Übergabe stehen allein dem Verkäufer zu bzw. obliegen diesem alleine."
§ 10 des notariellen Kaufvertrages lautet u. a.:
"1. Besitz, Nutzen und Lasten am Kaufgegenstand sowie die Gefahr einer Verschlechterung oder des Untergangs des Kaufgegenstandes gehen am Tag der vollständigen Kaufpreiszahlung um 24:00 Uhr auf den Käufer über. Der der Kaufpreiszahlung nachfolgende Tag wird in diesem Vertrag als "Übergabetag" bezeichnet.
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6. Der Käufer wird hiermit durch den Verkäufer ab dem Übergabetag bevollmächtigt, die Rechte des Verkäufers hinsichtlich des Kaufgegenstandes gerichtlich und außergerichtlich wahrzunehmen, soweit es die Belange des Käufers nach diesem Vertrag betrifft. Der Käufer stellt den Verkäufer insoweit von jeglicher Haftung gegenüber Dritten frei.
7. Der Verkäufer tritt - aufschiebend bedingt auf den Übergabetag - alle ihm zustehenden Erfüllungs-, Nacherfüllungs- und Gewährleistungsansprüche gegenüber den an der Errichtung und Bebauung, der Instandhaltung und Instandsetzung sowie der Sanierung des Kaufgegenstandes (nachfolgend gemeinsam als "Baumaßnahmen" bezeichnet) beteiligte Dritt...