Leitsatz (amtlich)
Für die Bemessung des Schmerzensgeldes können gegebenenfalls die Verhältnisse des Staates zu berücksichtigen sein, in dem der Geschädigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dieser Grundsatz führt allerdings nicht zur Abkehr vom Tatortprinzip für das auf das Schmerzensgeld anzuwendende Recht. Der Bezug des Geschädigten zu einem anderen Staat kann sich vielmehr als einer von mehreren Faktoren bei der Bemessung des Schmerzensgeldes auswirken. Die Verhältnisse in dem anderen Staat sind insofern zu berücksichtigen, als unter den Lebensverhältnissen des Geschädigten dort erschwerte Auswirkungen des Unfalls im "Schmerzensbereich" erkennbar sind. Dies meint den Einsatz des Schmerzensgeldes zu gleichen Konditionen, also unter Berücksichtigung vergleichbarer Wirtschafts- und Kaufkraftverhältnisse.
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Urteil vom 28.01.2014; Aktenzeichen 11 O 1422/09) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten zu 3) gegen das am 28.1.2014 verkündete Einzelrichterurteil der 11. Zivilkammer des LG Magdeburg wird zurückgewiesen.
Der Beklagte zu 3) trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren beträgt 6.200,84 Euro.
Gründe
I. Wegen der Einzelheiten des in erster Instanz unstreitigen und streitigen Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das LG hat die Klage gegen die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) - Haftpflichtversicherung und Halterin des von dem Beklagten zu 3) gesteuerten Gabelstaplers - insgesamt abgewiesen und den Beklagten zu 3) unter Zurückweisung der gegen ihn gerichteten Klage im Übrigen zur Zahlung von Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 1 BGB in Höhe von 6.200,48 Euro verurteilt.
Im Ergebnis der Beweisaufnahme und der informatorischen Anhörung des Klägers und des Beklagten zu 3) habe dieser bei der Verladetätigkeit in dem Lkw, insbesondere beim Herablassen der Gitterbox, was letztendlich zur Verletzung des Klägers geführt habe, nicht die notwendige Sorgfalt walten lassen. Es habe jedenfalls keine deutliche Absprache zwischen beiden gegeben, wie das Verladen vonstatten gehen sollte. Der im Wesentlichen unstreitige Geschehensablauf spreche dafür, dass der Beklagte zu 3) sich vor dem Absetzen der letztlich den Unfall auslösenden Gitterbox gerade nicht darüber vergewissert habe, dass sich der Kläger oder dessen Kollege gefahrlos in dem noch zur Verfügung stehenden geringen Laderaum aufhielten. Gerade weil der Beklagte zu 3) und der Kläger nach ihren übereinstimmenden Angaben keine Verfahrensweise besprochen gehabt hätten und auch während des Verladevorgangs nicht etwa über Zuruf tätig geworden seien, hätte der Beklagte zu 3) sich aber vor jedem Absetzen einer Gitterbox vergewissern müssen, dass er den Kläger und dessen Kollegen nicht gefährden würde. Dies gelte erst recht bei der zunehmenden Beladung des Laderaumes, wodurch der Bewegungsspielraum für den Kläger und seinen Kollegen E. einerseits und dem Beklagten zu 3) andererseits zunehmend eingeschränkt und auch das Blickfeld für den Beklagten zu 3) verschlechtert gewesen sei.
Der Beklagte zu 3) hafte jedoch nicht allein, sondern der Kläger müsse sich ein Mitverschulden in Höhe von einem Drittel anrechnen lassen. Denn auch dem Kläger sei es aufgrund der Gegebenheiten bewusst gewesen, dass mit dem zunehmenden Befüllen der Ladefläche dem Beklagten zu 3) die Sicht auf ihn, den Kläger, und seinen Kollegen erschwert würde. Insofern hätte es an dem Kläger gelegen, auch selbst dafür Sorge zu tragen, dass er durch den Ladevorgang des Gabelstaplers nicht gefährdet wird. Da sich der Kläger jedoch während des Beladens, jedenfalls zeitweise unstreitig vom Gabelstapler abgewandt bewegt habe, nämlich wenn er die jeweilige Gitterbox mit dem Hubwagen zu ihrem endgültigen Standplatz im Lkw-Laderaum verfrachtete, und der Beklagte zu 3) als Führer des motorbetriebenen Gabelstaplers eine deutlich höhere Betriebsgefahr beherrscht habe als der Kläger, so überwiege das Verschulden des Beklagten zu 3) das Mitverschulden des Klägers.
Eine Haftung des Beklagten zu 3) sei auch nicht wegen einer Haftungsprivilegierung gemäß §§ 104 ff. SGB VII ausgeschlossen. Im Ergebnis der Beweisaufnahme durch das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. R. sei nach niederländischem Recht eine Haftung der drei Beklagten durch Regelungen, die in ihren Rechtswirkungen den §§ 104 ff. SGB VII des deutschen Rechts entsprechen würden, nicht ausgeschlossen. Solche Haftungsprivilegierungen gebe es nach niederländischem Recht nicht. Dass insoweit das niederländische Recht anzuwenden sei, folge aus Art. 249 Abs. 2 EGV, wonach die EWG-VO 1408/71 bzw. EGV 1992/2006 unmittelbar anzuwendendes Recht seien und Vorrang vor den entsprechenden nationalen Vorschriften der Mitgliedsstaaten genießen würden. Nach Art. 93 Abs. 2 EWG-VO 1408/71 seien die sozialrechtlichen Vorschriften zur Haftungsfreistellung...