Leitsatz (amtlich)
1. Für die Bestimmung der Vertragsgemäßheit gemäß Art. 35 CISG sind die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien entscheidend. Die Nichteignung für eine hiervon abweichende Verwendung (Kühlfolie in Fischzuchtbecken) führt nicht zur mangelnden Vertragsgemäßheit.
2. Der Käufer kann sich nicht nach Art. 39 Abs. 1 CISG auf eine Vertragswidrigkeit (hier: fehlerhafte Folie) der Ware berufen, wenn er nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach dem Zeitpunkt, in dem er die Vertragswidrigkeit hätte feststellen müssen, diese gegenüber dem Verkäufer angezeigt hat.
3. Zur Wahrung seiner kaufrechtlichen Ansprüche gegenüber dem Verkäufer muss der Käufer, gerade im Hinblick auf die beabsichtigte Weiterverarbeitung der gelieferten Ware oder deren Veränderung hierdurch, eine zeitnahe Prüfung vornehmen, ohne auf eine Reklamation seines Kunden zuwarten zu dürfen, insbesondere dann, wenn die beabsichtigte Verwendung nicht mit den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien übereinstimmt.
4. Zur Wahrung von Schadenersatzansprüchen gemäß Art. 74 ff. CISG ist die Erklärung der Vertragsaufhebung durch den Käufer unabdingbar.
Verfahrensgang
LG Dessau (Aktenzeichen Urt 12.11.2018, 4 O 225/15) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 12. November 2018 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 v.H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die in Deutschland ansässige Klägerin macht Ansprüche auf Kaufpreiszahlung geltend, gegen die die in Tschechien ansässige Beklagte mit Ansprüchen aus Gewährleistung aufrechnet.
Die Klägerin produziert Kunststofffolien, die sie weltweit anbietet. Seit dem Jahr 2012 bezog die Beklagte bei der Klägerin mehrere Tonnen einer sog. kalandrierten Hart-PVC-Folie, ein Halbfertigprodukt. Die Beklagte verarbeitete die Folien durch Verformung weiter, um sie an Dritte weiterzuverkaufen.
Mit E-Mail vom 29. April 2013 übersandte die Klägerin ein Technisches Datenblatt einer Hart-PVC-Folie mit Regenerat für den kälteresistenten Einsatz bis zu einer Temperatur von - 35 bis - 40° Celsius für den Einsatz in Kühlboxen und Kühltürmen. Bezüglich der Lagerbedingungen war empfohlen, bei Raumtemperatur unter 30 Grad Celsius zu lagern (Anlagen GKD 10 und 11, Anlagenband).
Die Beklagte bestellte daraufhin bei der Klägerin im Jahr 2013 diese Folien aus Regenerat im Gesamtwert von 223.729,95 EUR, welche auch geliefert wurden. Wegen der Einzelheiten der Lieferungen wird auf die Auflistung in dem Schriftsatz der Beklagten vom 14. Mai 2018, Bl. 18 Bd. II d.A., Bezug genommen. Die letzte Lieferung erfolgte am 15. November 2013. Die Beklagte bezahlte die diesbezüglichen, mit einer Verrechnung angepassten Rechnungen der Klägerin über insgesamt 223.729,95 EUR. Die Beklagte bearbeitete die Folien durch Ziehung auf eine Dicke von 12 mm und lieferte sie an ihren Kunden aus.
Am 26. November 2013 erhielt die Beklagte von einem israelischen Kunden eine E-Mail mit dem Hinweis auf Qualitätsprobleme betreffend "CFS-1200 sheets" bei einem sog. Aqua Maof Project in Israel, welche aus Tschechien geliefert worden seien (Anlage B 3, Anlageband). Danach seien 2200 der 13.500 gelieferten Folienbögen mangelhaft, insbesondere fänden sich Löcher in den Folienbögen. Mit weiterer E-Mail vom 28. November 2013 vertiefte der israelische Kunde seine Mängelrüge dahin, dass die Bögen nicht hitzebeständig seien und legte Fotos der beschädigten Folien vor (Anlage B 5, Anlagenband).
Am 5. Dezember 2013 suchten Mitarbeiter der Beklagten das Werk der Klägerin in G. auf und teilten mit, ein israelischer Kunde habe Mängel - kleinere Löcher als optisches Problem - an von der Klägerin gelieferten Folien reklamiert, die in einer Fischzuchtanlage verwendet würden (Bl. 75 Bd. I. d.A.).
Am selben Tage teilte die Beklagte der Klägerin folgendes per E-Mail mit (Anlage B 3):
"Hier schicke ich ein paar Fotos und Daten. Dies sind die Lieferungen vom 18. September 2013... Nummer der Lieferungen (Lieferschein) ..."
Auf den beigefügten Fotos finden sich folgende Hinweise:
"Material after forming with bubbles on holes"
"The rolls raw material have already problems - see red circles"
Wegen der der E-Mail beigefügten 6 Fotos wird auf Anlage B 3, Anlagenband, Bezug genommen.
Mit weiterer E-Mail vom 11. Dezember 2013 wandte sich die Beklagte erneut an die Klägerin und teilte mit, dass die Lieferungen mangelhaft seien (Anlage B 4, Anlagenband):
"... ein sehr guter Kunde (hat uns) eine Reklamation geschickt. Er fand zwei Probleme an den Folien, die er von uns in Israel erhalten hatte ...:
Löcher im Produkt
Beschädigung der Folie wegen hoher Temperatur. Wir schicken die hergestellten Folien und Rohfolie in unser Labor in d...