Leitsatz (amtlich)
1. Wird bei Feldarbeiten ein Freileitungsmast einer Hochspannungsleitung beschädigt, so ist die Betreiberin des Stromverteilungsnetzes auch dann, wenn sie nicht selbst Eigentümerin ist, sondern Pächterin der Verteilungsanlagen mit der vertraglichen Verpflichtung zur deren Erhaltung, materiell berechtigt, diese Aufwendungen zur Wiederherstellung des Mastes als sog. Haftungsschaden gegenüber dem Schädiger geltend zu machen.
2. Zur Angemessenheit der Schadensbehebung durch Inanspruchnahme von Leistungen Dritter auf der Grundlage eines Rahmenvertrages für Instandsetzungsleistungen.
Verfahrensgang
LG Dessau-Roßlau (Urteil vom 28.02.2014; Aktenzeichen 4 O 243/12) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 28.2.2014 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des LG Dessau-Roßlau wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.
Das Urteil des Senats und das o.a. Urteil des LG sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A. Die Klägerin, Betreiberin eines Stromverteilungsnetzes, begehrt von der Beklagten zu 1) als Halterin des Traktors mit dem amtlichen Kennzeichen "..." und von der Beklagten zu 2) als Kfz.-Haftpflichtversicherer für dieses Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt die Zahlung weiterer 16.913,43 EUR.
Der zwei Anhänger führende Traktor der Beklagten kollidierte am 14.5.2010 auf einer landwirtschaftlichen Nutzfläche nahe L. mit dem Freileitungsmast Nr. 42, welcher zu einem von der Klägerin betriebenen Hochspannungsnetz gehört. Die Prozessparteien gehen übereinstimmend von einer 100%igen Haftungspflicht der Beklagten aus. Sie streiten über die Aktivlegimitation der Klägerin zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen wegen des Sachsubstanzschadens sowie über die Ersatzfähigkeit der von der Klägerin geltend gemachten Wiederherstellungskosten.
Das LG hat der Klage im vollen Umfang stattgegeben; hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung.
Von einer weiteren Darstellung der tatsächlichen Feststellungen i.S.v. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO wird nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 18.9.2014 hat hinsichtlich der darin vertieften rechtlichen Ausführungen in der abschließenden Beratung Berücksichtigung gefunden.
B. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Das LG hat zu Recht darauf erkannt, dass die Klägerin gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Zahlung des noch offenen Schadenersatzbetrages hat. Die hiergegen gerichteten Berufungsangriffe sind unbegründet.
I. Der Senat kann für seine Entscheidung offen lassen, ob und ggf. inwieweit eine Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör in der ersten Instanz aufgetreten ist.
1. Allerdings hat nach Einholung des schriftlichen Gutachtens durch das Gericht und nach schriftlicher Anhörung der Prozessparteien zum Gutachteninhalt am 22.1.2014 ein Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung stattgefunden, in welchem den Prozessparteien ausweislich des Sitzungsprotokolls Gelegenheit gegeben worden ist, zur Sache im Allgemeinen und zum Beweisergebnis im Besonderen Stellung zu nehmen.
2. Soweit sich die Beklagten auf eine Verletzung der §§ 279 Abs. 3, 285 ZPO dadurch berufen, dass das LG seine vorläufige Beweiswürdigung im Termin nicht mitgeteilt habe, sind dem Sitzungsprotokoll Einzelheiten nicht zu entnehmen. Das Sitzungsprotokoll enthält jedoch auch keine entsprechende Rüge der Beklagten.
3. Selbst wenn der erkennende Senat zugunsten der Beklagten davon ausginge, dass der Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör hierdurch verletzt worden sei, beruht die angefochtene Entscheidung hierauf nicht. Angesichts der eindeutigen Antworten des gerichtlichen Gutachters auf die Beweisfragen hätten die Beklagten selbst ein Schweigen des Gerichts eindeutig dahin verstehen müssen, dass das Gericht sich den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen anzuschließen beabsichtigt. Das Berufungsvorbringen, welches in Kenntnis der endgültigen Beweiswürdigung durch das LG erfolgt ist, enthält - wie darzustellen sein wird - keine erheblichen Einwendungen gegen die erstinstanzliche Beweiswürdigung.
II. Das LG ist zu Recht von der Aktivlegitimation der Klägerin ausgegangen.
1. Die Beklagten haben ein nach § 823 Abs. 1 BGB besonders geschütztes Rechtsgut der Klägerin verletzt. Zu diesen Rechten gehört nicht nur das Eigentumsrecht, sondern geschützt sind auch sonstige Rechte mit Ausschließlichkeitscharakter, hier das Recht zum Besitz und zur gewerblichen Nutzung der Stromnetzanlagen. Die Klägerin ist Pächterin des Stromverteilungsnetzes, welches im Eigentum ihrer Konzernmutter steht.
2. Zu den erstattungsfähigen Schäden eines berechtigten Besitzers gehört entgegen der Auffassung der Beklagten auch der sog. Haftungsschaden, d.h. der Schaden, der dem Besitzer durch seine Ers...