Leitsatz (amtlich)
1. Auch bei der Nutzung von Sondersignalen ist der Fahrer eines Rettungswagens verpflichtet, sich in einen Kreuzungsbereich langsam hineinzutasten und sorgfältig zu beobachten, ob sein Sondersignal von allen anderen Verkehrsteilnehmern wahrgenommen und beachtet wird.
2. Bewertung des Verursachungsanteils des Fahrers eines Rettungswagens mit 80 %, wenn dieser trotz für ihn "roter" Ampel mit 55 km/h in eine Kreuzung einfährt.
3. Bei einem Ausfall eines Rettungswagens eines gemeinnützigen Vereins kann die entfallene Nutzungsmöglichkeit einen ersatzfähigen Schaden darstellen, wenn der Eigentümer auf die kostenintensivere Anmietung eines Ersatzfahrzeuges verzichtet.
Verfahrensgang
LG Dessau-Roßlau (Urteil vom 07.02.2008; Aktenzeichen 4 O 1023/05) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten zu 2) wird das am 7.2.2008 verkündete Urteil des LG Dessau-Roßlau, 4 O 1023/05, unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen in Ziff. 2) und 3) des Urteilsausspruches teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Auf die Widerklage werden der Kläger und die Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner verurteilt, an den Beklagten zu 2) 4.237,60 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.5.2005 sowie weitere 229,04 EUR nebst Zinsen hieraus in gleicher Höhe seit dem 9.2.2006 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Die Gerichtskosten haben der Kläger und die Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner zu 19 %, der Kläger allein darüber hinaus zu weiteren 4 %, die Beklagten zu 1), zu 2) und zu 3) als Gesamtschuldner zu 10 % und der Beklagte zu 2) darüber hinaus zu weiteren 67 % zu tragen.
Die außergerichtlichen Kosten des Klägers fallen den Beklagten zu 1), zu 2) und zu 3) als Gesamtschuldner zu 10 % und dem Beklagten zu 2) darüber hinaus zu weiteren 67 % zur Last; diejenigen der Drittwiderbeklagten zu 81 % dem Beklagten zu 2).
Die außergerichtlichen Auslagen der Beklagten zu 1) und zu 3) hat der Kläger jeweils zu 45 % zu tragen; diejenigen des Beklagten zu 2) tragen Kläger und Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner zu 19 % und der Kläger allein zu weiteren 4 %.
Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Beklagte zu 2) zu 86 % und der Kläger und die Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner zu 14 % zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen. Die Beschwer übersteigt jeweils 20.000 EUR nicht.
und beschlossen:
Der Kostenwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.606,40 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Von einer Darstellung der tatsächlichen Feststellungen i.S.v. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO wird nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
II. Die Berufung des Beklagten zu 2) ist zulässig; insbesondere wurde sie form- und fristgemäß eingelegt und begründet. Sie hat jedoch in der Sache nur teilweise Erfolg.
Das LG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Verkehrsunfall vom 21.4.2005 für beide hieran beteiligten Kraftfahrzeuge bzw. deren Fahrer nicht unvermeidbar war, weshalb die wechselseitigen Verursachungsanteile nach §§ 17 Abs. 1, Abs. 3, 18 StVG zu bestimmen waren. Hiervon geht auch die Berufung aus. Die erstinstanzlich vorgenommene Schadensverteilung zu 80 % zu Lasten der Beklagten und zu 20 % zu Lasten des Klägers und der Drittwiderbeklagten ist auch unter Berücksichtigung des hiergegen gerichteten Berufungsvorbringens angemessen. Allerdings besteht entgegen der Auffassung des LG ein Anspruch des Beklagten zu 2) gegen beide Widerbeklagte auf eine Nutzungsausfallentschädigung für den unfallbeschädigten Rettungswagen. Deren Gesamthöhe hat der Senat nach § 287 ZPO geschätzt, danach ist die Widerklage des Beklagten zu 2) unter Berücksichtigung der o.g. Ersatzquote in Höhe weiterer 1.200 EUR begründet.
1. Der Senat hat keine Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der tatsächlichen Feststellungen des LG zum Unfallhergang und den wechselseitigen Verursachungsanteilen.
1.1. Die Beweisaufnahme ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Das LG hat alle angebotenen Beweise erhoben und in seine Beweiswürdigung einbezogen. Soweit gleichwohl einige tatsächliche Umstände nicht mehr mit hinreichender Sicherheit feststellbar waren, ist darauf zu verweisen, dass jeder nachträglichen Sachaufklärung objektiv Grenzen gesetzt sind. Eine Unvollständigkeit der Beweisaufnahme rügt auch der Beklagte zu 2) mit seiner Berufung nicht.
1.2. Die tatsächlichen Feststellungen des LG sind auch bei ihrer inhaltlichen Prüfung durch den Senat nicht zu beanstanden.
Im Zivilprozess ist die Prüfungsdichte des Berufungsgerichtes eingeschränkt. Auch wenn das Berufungsgericht noch Tatsachengericht ist, hat es grundsätzlich gem. §§ 529 Abs. 1 Ziff. 1, 520 Abs. 3 Ziff. 3 ZPO als den Kernbestimmungen des Berufungsrechtes von denjenigen Tatsachen auszugehen, die das Gericht des ersten Rechtszuges festgestellt hat, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheid...