Leitsatz (amtlich)
Ist ein Anspruch gemäß § 826 BGB in einem sog. Abgasfall wegen eines Fahrzeugs der Marke Volkswagen mit einem Motor EA 189 verjährt, steht dem geschädigten Käufer eines über einen Kraftfahrzeughändler erworbenen Neuwagens gegen den Hersteller des Fahrzeugs ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Händlermarge zu, begrenzt auf die Höhe des Anspruchs aus § 826 BGB abzüglich der genossenen Nutzungsvorteile. Herstellungs- und Bereitstellungskosten wegen Entreicherung sind dabei nicht zugunsten des Fahrzeugherstellers anzurechnen.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 07.06.2021; Aktenzeichen 9 O 121/20) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 7. Juni 2021 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Halle teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt neu gefasst wie folgt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 27.339,05 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. Juli 2020 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs VW Beetle Cabriolet 2.0 I TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer: ....
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs VW Beetle Cabriolet 2.0 I TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer: ... in Annahmeverzug befindet.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
und beschlossen:
Der Antrag der Klägerin auf Aussetzung des Verfahrens wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatz im Zusammenhang mit dem sog. Abgasskandal geltend.
Wegen der Einzelheiten des in erster Instanz unstreitigen und streitigen Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Ergänzend und klarstellend wird ausgeführt:
Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Zahlung von 27.952,43 EUR nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs verurteilt und den Annahmeverzug mit der Rücknahme des Fahrzeugs festgestellt. Zur Begründung hat die Kammer - soweit für das Berufungsverfahren noch relevant - ausgeführt, dass der Klägerin kein Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 826, 31 BGB aufgrund der in dem streitgegenständlichen Motor ursprünglich vorhandenen Motorsteuerungssoftware zustehe. Dem stehe die durch die Beklagte erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Der Lauf der Verjährungsfrist sei auch nicht durch Verhandlungen gehemmt worden. Ebenso wenig stelle sich das Berufen der Beklagten auf die Einrede der Verjährung als treuwidrig dar. Überdies stehe der Klägerin gegen die Beklagte auch kein Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 826, 31 BGB durch Aufspielen des Software-Updates zu. Die Verwendung und Implementierung eines "Thermofensters" im Software-Update vermöge kein sittenwidriges Verhalten der Beklagten zu begründen.
Der Klägerin stehe jedoch ein Anspruch nach § 852 Satz 1 BGB zu, gerichtet auf das von der Beklagten im Umfang von 27.952,43 EUR Erlangte. Die Klägerin habe gegen die Beklagte grundsätzlich einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 826, 31 BGB, der jedoch verjährt sei. Im Sinne des § 852 Satz 1 BGB erlangt sei der durch die Klägerin gezahlte Kaufpreis i.H.v. 34.350,00 EUR, gekürzt um die Händlermarge. Dass sich die Vermögensverschiebung, also die Zahlung des Kaufpreises, nicht unmittelbar zwischen der Beklagten und der Klägerin vollzogen habe, diese den Kaufpreis vielmehr an die Autohaus P. GmbH gezahlt habe, spiele keine Rolle. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei auch nicht allein auf den durchschnittlichen reinen Gewinn, den sie mit 600 EUR beziffere, abzustellen. Maßgeblich sei, was die Beklagte aus der Veräußerung des Fahrzeuges erzielt habe. Weitere angefallene Aufwendungen reduzierten den Anspruch wegen der Bösgläubigkeit der Beklagten nach §§ 819, 818 Abs. 4 BGB nicht. Nach dem Vortrag der Klägerin habe die Beklagte aus der Veräußerung des streitgegenständlichen PKWs den Kaufpreis i.H.v. 34.350,00 EUR abzüglich einer 10-prozentigen Händlermarge, damit mindestens 30.915,00 EUR erlangt, was die Kammer ihrer Schätzung zugrunde lege. Die Höhe des Anspruchs nach § 852 Satz 1 BGB werde jedoch durch die Höhe des ursprünglichen Anspruchs nach § 826 BGB begrenzt. In dessen Rahmen sei eine Nutzungsentschädigung auf der Grundlage der bis jetzt zurückgelegten Fahrstrecke von 55.874 km von 6.397,57 EUR zu berücksichtigen. Auch bestehe der Anspruch aus § 852 Satz 1 BGB nur Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des gegenständlichen Fahrzeuges. Ein Anspruc...