Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Urteil vom 01.02.2021; Aktenzeichen 4 O 425/20) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 1. Februar 2021 verkündete Einzelrichterurteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Halle wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO wird die Darstellung des Sachverhalts weggelassen.
II. Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
A. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 9.664,02 EUR.
Er kann von der Beklagten wegen des behaupteten Einsatzes einer nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (nachfolgend: VO (EG) 715/2007) unzulässigen Abschalteinrichtung in der Motorsteuerung seines am 14. August 2018 erworbenen Pkws Golf VII Variant 2.0 TDI mit einem Motor EA 208 EU 6 unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises von 16.500,00 EUR abzüglich Vorteilsausgleich von 6.835,98 EUR verlangen.
1. Mangels Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien scheiden vertragliche Schadensersatzansprüche des Klägers gegenüber der Beklagten von vornherein aus. Auch vorvertragliche Ansprüche gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2, 249 Abs. 1 BGB sind nicht erkennbar. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte unmittelbar oder mittelbar an dem Kaufvertragsschluss beteiligt war, noch dass sie ein über ihr allgemeines Absatzinteresse hinausgehendes wirtschaftliches Interesse gerade an dem Fahrzeugkauf des Klägers besaß oder durch die Inanspruchnahme von Vertrauen jenen in besonderem Maße erheblich beeinflusst hat. Soweit dem Kläger im Zeitpunkt des Kaufes neben Details zur Ausstattung des Pkws auch werbende Aussagen der Beklagten bekannt gewesen sein sollten, wäre diese Tatsache nicht geeignet, eine Haftung der Beklagten wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen aus § 311 Abs. 3 BGB zu begründen, weil hierfür werbende Anpreisungen des Herstellers nicht genügen (z. B LG Braunschweig, Urteil vom 16. Oktober 2017, 11 O 4092/16, Rdn. 29, zitiert nach Juris).
2. Auch deliktische Schadensersatzansprüche stehen dem Kläger gegen die Beklagte nicht zu.
Seinen Schadensersatzanspruch kann der Kläger nicht auf die §§ 826, 31 analog BGB (a.) noch auf die §§ 623 Abs. 2, 31 analog BGB i. V. m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 der Verordnung über die EG-Genehmigung für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger sowie für Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten für diese Fahrzeuge (EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung; nachfolgend: EG-FGV) in der Fassung vom 3. Februar 2011 oder Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Nr. 10 der VO (EG) 715/2007 (b.) stützen.
a. Eine Haftung der Beklagten gemäß den §§ 826, 31 analog BGB scheidet aus. Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung sind nicht bereits deshalb gegeben, weil die Beklagte den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp aufgrund einer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung mit einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster) ausgestattet und in den Verkehr gebracht hat. Dieses Verhalten ist für sich genommen nicht als sittenwidrig zu qualifizieren. Dies gilt auch dann, wenn die Beklagte mit der Entwicklung und dem Einsatz dieser Steuerung eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinn erstrebt hat (z. B. BGH, 19. Januar 2021, VI ZR 433/19, zitiert nach Juris).
Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben, insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (z. B. BGH, Urteil vom 30. Juli 2020, VI ZR 5/20, zitiert nach Juris).
Nach diesen Grundsätzen reicht der Umstand, dass die Abgasrückführung im Fahrzeug des Klägers nach seinem ...