Entscheidungsstichwort (Thema)

Definition einer schweren Krankheit in der Dread-Disease-Versicherung

 

Leitsatz (amtlich)

Ist in den Bedingungen einer sog. Dread-Disease-Versicherung eine vom Vertrag umfasste schwere Erkrankung als eine "durch Kopfverletzung herbeigeführte irreversible Schädigung des Gehirns mit dauerhaften neurologischen Ausfällen oder gravierenden Beeinträchtigungen der intellektuellen Fähigkeiten" beschrieben, so liegt kein Versicherungsfall vor, wenn die geltend gemachte Hirnschädigung durch Substanzen verursacht worden sein soll, die die versicherte Person mit der Nahrung (hier: durch einen Säugling mit der Muttermilch) aufgenommen hat. Es fehlt in einem solchen Fall an der bedingungsgemäßen Kopfverletzung.

 

Normenkette

ZPO § 520 Abs. 2, § 529 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 17.12.2020; Aktenzeichen 8 O 1401/20)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 17.12.2020, Az. 8 O 1401/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über Ansprüche aus einer fondsgebundenen Lebensversicherung, die auch Versicherungsschutz gegen bestimmte schwere Krankheiten gewährt (sog. Dread-Disease-Versicherung) und die der Kläger seit Januar 2010 bei der Beklagten unterhält (Anlage K 2). Darin sind die Kinder des Versicherungsnehmers bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres mitversichert. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten (Anlagenkonvolut K 1; im Folgenden: AVB) zugrunde. In Anlage 1 zu den AVB sind die versicherten schweren Krankheiten aufgeführt. Die Vertragsleistung beträgt im Falle des Eintritts versicherter schwerer Krankheiten 100.000,00 EUR wenn nicht der Wert der Fondsanteile höher ist. Im Falle der Erkrankung eines mitversicherten Kindes ist diese Leistung auf 50% reduziert.

Hintergrund des Rechtsstreits ist, dass die am 21.09.2009 geborene Tochter des Klägers an einer Narkolepsie mit Kataplexie und Halluzinationen leidet (ICD-10: G47.4; Anlagen K 4 bis K 7). Der Kläger macht geltend, seine Ehefrau habe am 25.11.2009 eine Influenza-Impfung mit dem Präparat "Pandemrix" erhalten. Während dieser Zeit habe sie die gemeinsame Tochter gestillt. Hierdurch sei die Narkolepsie ausgelöst worden. Die Beklagte hat ihre Einstandspflicht vorgerichtlich abgelehnt (Anlage K 9).

Das Landgericht hat die auf Zahlung von 50.000,00 EUR gerichtete Klage ohne Beweisaufnahme vollständig abgewiesen. Es hat dabei im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die geltend gemachte Erkrankung der Tochter des Klägers nicht unter die in Ziffer 27 der Anlage 1 zu den AVB aufgeführte "schwere Kopfverletzung" falle. Die Auslegung dieser Klausel ergebe, dass eine irreversible Schädigung des Gehirns allein nicht ausreiche. Es müsse eine Kopfverletzung durch eine physische Einwirkung hinzukommen. Das Eindringen des Impfstoffes in den Körper des Kindes durch die Muttermilch stelle keine bedingungsgemäße Kopfverletzung dar.

Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen erstinstanzlichen Klageantrag weiterverfolgt.

II. Der Senat ist gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich an die in erster Instanz festgestellten Tatsachen gebunden. Durchgreifende und entscheidungserhebliche Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen ergeben sich nicht. Die maßgeblichen Tatsachen rechtfertigen keine von der des Landgerichts abweichende Entscheidung und dessen Entscheidung beruht auch nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Zu Recht und mit überzeugender Begründung hat das Landgericht einen Anspruch des Klägers aus § 3 Buchst. A Nr. 1 AVB verneint. Mit den hiergegen erhobenen Einwendungen kann die Berufung nicht durchdringen.

1. Der gegenständliche Versicherungsvertrag gewährt neben dem Todesfallschutz auch Schutz gegen den Eintritt bestimmter schwerer Krankheiten beim Versicherungsnehmer oder mitversicherten Personen durch Zahlung des vertraglich vereinbarten Einmal-Betrages. Wie sich aus § 3 Buchst. A Nr. 1 AVB zweifelsfrei ergibt, setzt dieser Versicherungsfall voraus, dass bei der versicherten Person eine der in Anlage 1 aufgeführten Krankheiten endgültig diagnostiziert und 14 Tage lang überlebt worden ist.

Die Narkolepsie, unter der die mitversicherte Tochter des Klägers leidet, stellt schon nach klägerischem Vortrag keine in Anlage 1 zu den AVB aufgeführte Erkrankung dar. Dies hat die Vorinstanz fehlerfrei entschieden, ohne dass hierüber Beweis erhoben werden musste.

a) In Betracht kommt ...

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