Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungsnehmer, Restschuldversicherung, Versicherungsschutz, Allgemeine Versicherungsbedingungen, Sachverständige, Versicherungsfall, Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Beweiswürdigung, Klauseln, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, Unklarheitenregel, Schwere Erkrankung, Arbeitsunfähigkeitszusatzversicherung, Allgemeine Geschäftsbedingungen, Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Berufungsinstanz, Beweisaufnahme, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Ratenkreditvertrag, Parteivorbringen
Leitsatz (amtlich)
Die Parteien streiten um die Eintrittspflicht einer Restschuldversicherung für einen Gewerbekredit. In § 7 AVB-RSV werden die fünf versicherten schweren Erkrankungen nochmals aufgeführt, zum Teil näher beschrieben und zu nicht versicherten Krankheitsbildern abgegrenzt. Danach wird zwar deutlich, dass sog. Mikroinfarkte keinen Versicherungsschutz genießen. Es ergibt sich aber nicht hinreichend klar, dass es nicht entscheidend auf die umgangssprachliche Bezeichnung der ärztlichen Diagnose als "Herzinfarkt" ankommen soll, sondern dass - nach dem engen Verständnis der Versicherung - letztlich nur ein Myokardinfarkt unter die Klausel fallen soll, während andere als "Herzinfarkt" umschriebene akute Koronarsyndrome unberücksichtigt bleiben.
Normenkette
AVB-RSV §; BGB § 305c II, § 307 I
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 06.03.2024; Aktenzeichen 8 O 6422/22) |
Tenor
Die Berufung ist nach dem Hinweisbeschluss zurückgenommen worden.
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 06.03.2024, Az. 8 O 6422/22, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
I. Die Parteien streiten über Ansprüche aus zwei Restschuldversicherungen, die die Klägerin bei der Beklagten unterhält.
Die Klägerin nahm im Zuge ihrer gewerblichen Tätigkeit als Betreiberin einer Gaststätte im November 2019 und Mai 2020 zwei Darlehen über insgesamt 91.000,00 EUR bei der Sparkasse N. auf (Anlagen K 1 und K 4). Hinsichtlich beider Darlehen schloss die Klägerin mit Anträgen vom 03.09.2019 und 23.03.2020 jeweils eine Restschuldversicherung bei der Beklagten ab (Anlagen K 2 und K 5). Beiden Verträgen liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten für die Restschuldversicherung "Gewerbekreditschutz" (im Folgenden: AVB-RSV; Anlage K 3) zugrunde. Diese Versicherungen gewähren Schutz gegen die Risiken Tod, bestimmte schwere Krankheiten und Arbeitsunfähigkeit (§ 1 AVB-RSV). Die AVB-RSV enthalten darüber hinaus u.a. folgende Klauseln (Hervorhebungen im Original):
"§ 6 Wann liegt eine schwere Krankheit im Sinne dieser Bedingungen vor?
Eine schwere Krankheit liegt vor, wenn bei einer Gefahrperson während der Dauer Ihrer Versicherung zum ersten Mal eine der folgenden Krankheiten von einem Arzt diagnostiziert wurde:
- Herzinfarkt,
- Schlaganfall,
- Krebs (unabhängig davon, weiches Organ von Krebs befallen ist),
- Blindheit oder
- Taubheit.
Wir leisten nicht, wenn die schwere Krankheit bei der jeweiligen Gefahrperson bereits einmal vor Beginn der Versicherung diagnostiziert; wurde. Sie haben unter folgender Voraussetzung jedoch einen Anspruch auf Leistung: Die jeweilige Gefahrperson erkrankt nach dem Beginn der Versicherung zum ersten Mal an einer anderen als der zuvor diagnostizierten schweren Krankheit.
§ 7 Was ist eine schwere Krankheit im Sinne dieser Bedingungen? Schwere Krankheiten sind folgende Erkrankungen:
1. Herzinfarkt: Versichert ist ein Herzinfarkt als das erste akute Auftreten eines Herzinfarktes. Das bedeutet, ein Teil des Herzmuskels stirbt durch unzureichende Blutzufuhr zum Herzmuskel (Myokard) ab. Nicht versichert sind: Stumme Infarkte (Mikroinfarkte) sowie Angina Pectoris.
..."
Nachdem die Klägerin ihr Gewerbe zum 01.02.2021 abgemeldet hatte (Anlage B 9) und die Kredite nicht mehr tilgte, erklärte die Sparkasse N. am 04.03.2021 die Kündigung beider Darlehensverträge (Anlage K 9). Der insgesamt noch offene Darlehensbetrag beläuft sich auf 83.285,14 EUR.
Die Klägerin behauptet, sie habe im Dezember 2020 einen Herzinfarkt erlitten. Die Erkrankung sei ihr bei Abschluss der Versicherungsverträge nicht bekannt gewesen. Vielmehr sei die Diagnose erstmals im Februar 2021 im Anschluss an den Herzinfarkt gestellt worden (Anlagen K 6 und K 22). Die Klägerin sei seit diesem Zeitpunkt arbeitsunfähig.
In erster Instanz hat die Klägerin zuletzt die Zahlung von 54.923,43 EUR sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.438,67 EUR verlangt. Sie forderte außerdem die Fests...