Entscheidungsstichwort (Thema)
Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen wegen Bitte um Ergebnisvorgabe durch das Gericht
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einem Sachverständigen, der bei einem Gericht telefonisch zwei verschiedene Ergebnis-Alternativen seiner Begutachtung "anbietet" und um Mitteilung bittet, welche Alternative er in seinem schriftlichen Gutachten darstellen soll, besteht die Besorgnis der Befangenheit. Die Bitte eines Sachverständigen zu gerichtlichen Vorgaben hinsichtlich des Gutachtensergebnisses kann bei den Prozessbeteiligten nachvollziehbarerweise die Befürchtung begründen, dass der Sachverständige nicht auf der Grundlage seiner Eigenverantwortlichkeit, gestützt auf objektive Tatsachen und allein orientiert an seiner Fachkunde die in seinem Gutachten wiedergegebenen Ergebnisse erzielt, sondern sich nach von außen an ihn herangetragenen Erwartungen an das Ergebnis der Begutachtung richtet.
Vorgaben zum Ergebnis der Begutachtung gehören nicht zur gerichtlichen Leitung der Tätigkeit des Sachverständigen nach § 404a ZPO.
2. Sind Äußerungen eines Sachverständigen von dem Mitglied des zur Entscheidung berufenen Spruchkörpers in einem Vermerk aktenkundig gemacht, so kommt es für die Ablehnung des Sachverständigen nicht mehr darauf an, ob sie vom Sachverständigen wörtlich so geäußert wurden. Der Umstand, dass sie in aktenkundig dokumentierter Weise vom Gericht so verstanden wurden, ist ausreichend, um objektive Tatsachen zu schaffen, welche den zur Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit ausreichenden "bösen Schein" der fehlenden Unparteilichkeit des Sachverständigen selbst dann begründen, wenn sie vom Sachverständigen anders gemeint gewesen sein sollten.
Normenkette
ZPO § 42 Abs. 2, § 406 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Amberg (Aktenzeichen 12 O 1171/14) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Amberg vom 13.11.2020, Az. 12 O 1171/14, abgeändert:
Die Ablehnung des Sachverständigen Dr. K. durch den Beklagten wegen Besorgnis der Befangenheit wird für begründet erklärt.
Gründe
I. Mit seiner Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 13.11.2020 wendet sich der Beklagte gegen die Zurückweisung seines Ablehnungsgesuchs gegen den gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. K. wegen Besorgnis der Befangenheit.
Die Parteien streiten über behauptete Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen den Beklagten, welche von der Klägerin u.a. auf § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15a Abs. 1 S. 1 InsO gestützt werden.
Der Beklagte war bis zu seinem Ausscheiden am 20.02.2011 der Geschäftsführer der U. Bau GmbH (später H. Bau GmbH, im Folgenden: Schuldnerin). Die Klägerin unterhielt langjährige Geschäftsbeziehungen mit der Schuldnerin, im Zuge derer die Schuldnerin mit Baumaterial beliefert wurde und die Klägerin auch als Subunternehmerin der Schuldnerin auftrat. Die Schuldnerin beantragte am 23.02.2011 wegen drohender Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen. Das Insolvenzverfahren wurde eröffnet.
Im Auftrag des Insolvenzverwalters Dr. S. erstellte die C. Steuerberatungsgesellschaft GmbH am 11.05.2011 einen Bericht, in dem sie Überschuldung zum 31.12.2009 und Zahlungsunfähigkeit ab dem 29.01.2009 feststellte.
Die Klägerin behauptet, dass die Schuldnerin spätestens zum 31.12.2009 insolvenzrechtlich überschuldet gewesen sei, der Beklagte, als damaliger Geschäftsführer, habe jedoch nicht rechtzeitig Insolvenzantrag gestellt. Daher habe er wegen Insolvenzverschleppung für sämtliche zum Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung offenen Forderungen der Klägerin gegen die Schuldnerin in Höhe von 2.217.931,99 EUR einzustehen.
Im Frühjahr 2010 erhöhten sich die Forderungen der Klägerin gegen die Schuldnerin auf ca. zwei Millionen Euro. Zentraler Streitpunkt des vorliegenden Rechtsstreits ist die Behauptung des Beklagten, dass es Ziel und gemeinsamer Wunsch der Schuldnerin und der Klägerin gewesen sei, das Verbindlichkeitenniveau der Schuldnerin bei der Klägerin wieder auf den früheren Stand von ca. einer Million Euro zu reduzieren (die Verbindlichkeiten der Schuldnerin gegenüber der Klägerin werden von den Parteien als "H.-Verbindlichkeiten" bezeichnet, diese Bezeichnung wird im Folgenden übernommen). Aus diesem Grund seien zwischen der Klägerin und der Schuldnerin Gespräche geführt und Vereinbarungen getroffen worden, mit welchen Schritten der Verbindlichkeitensaldo nach und nach wieder auf einen Stand von ca. einer Million Euro zurückgeführt werden könnte. Eine zeitliche Vorgabe hierzu habe es nicht gegeben, auch hätten die Vertragspartner keine vollständige Rückführung der aufgelaufenen Verbindlichkeiten vereinbart. Bei einer Besprechung am 11.08.2010 seien die Geschäftsführer der Klägerin von den Vertretern der Schuldnerin ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Schuldnerin nicht über die erforderliche Liquidität verfüge, um die aufgelaufenen H.-Verbindlichkeiten ganz oder größtenteils zurückzuführen und dass - falls die Klägerin die H.-Verbin...