Entscheidungsstichwort (Thema)

Bindungswirkung eines im Haftpflichtverhältnis geschlossenen Vergleichs für das Deckungsverhältnis zwischen Architekt und Berufshaftpflichtversicherer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Hat ein Berufshaftpflichtversicherer gegenüber einem Architekten vorbehaltlos Abwehrdeckung erteilt, kann darin ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis der Leistungspflicht liegen. Dessen Folge ist, dass der Versicherer für die Zukunft mit solchen Einwendungen ausgeschlossen ist, die er im Zeitpunkt des Anerkenntnisses bereits gekannt hat oder bei gehöriger Prüfung hätte kennen müssen. Dies kann insbesondere den Einwand der bereits verstrichenen Nachhaftungsfrist betreffen.

2. Ein Versicherer, der zu Unrecht das Fortbestehen weiteren Deckungsschutzes in Abrede stellt, ist grundsätzlich an einen im Haftpflichtverhältnis geschlossenen Vergleich gebunden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Versicherungsnehmer in zumindest leichtfertiger Weise seine eigenen wohlverstandenen Interessen missachtet, indem er einen Betrag anerkennt, der grob unbillig ist und den Versicherer in sachlich nicht gerechtfertigter Weise belastet (Anschluss an OLG Frankfurt, BeckRS 2013, 8425).

 

Normenkette

VVG §§ 100, 106 S. 1; ZPO § 72 Abs. 1

 

Nachgehend

OLG Nürnberg (Beschluss vom 06.09.2021; Aktenzeichen 8 U 1012/21)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 18.03.2021, Az. 17 O 8392/19, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen vier Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über einen Deckungsanspruch aus einer Architektenhaftpflichtversicherung, die der Kläger seit 2001 bei der Beklagten unterhielt und die bis zum 06.03.2008 bestand (Anlage B 1). In den Vertrag waren die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten für die Haftpflichtversicherung (Anlage B 2; im Folgenden: AHB) sowie die Risikobeschreibungen und Besonderen Bedingungen für planende, beratende, begutachtende und technische Berufe (Anlage B 3; im Folgenden: RBHArch) einbezogen.

Hintergrund des Rechtsstreits sind gegenüber dem Kläger geltend gemachte Ansprüche im Zusammenhang mit dessen Tätigkeit bei einem umfangreichen Bauvorhaben auf den Anwesen ... in N. Bauträger dieses Vorhabens war Herr Dr. K. Gegen diesen leitete die Wohnungseigentümergemeinschaft ... vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth ein selbständiges Beweisverfahren ein (Az.: 9 OH 502/12). Nachdem der dortige Antragsgegner Dr. K. dem Kläger den Streit verkündet hatte, trat der Kläger dem Verfahren mit Schriftsatz vom 12.06.2013 auf Seiten des Antragsgegners bei (Anlage K 2). Die anwaltliche Vertretung des Klägers in dem genannten gerichtlichen Verfahren erfolgte im Auftrag und auf Kosten der Beklagten.

Nachdem sich die Beteiligten des selbständigen Beweisverfahrens, darunter der anwaltlich vertretene Kläger, entschlossen hatten, die zwischen ihnen im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben im Raum stehenden Ansprüche einer gütlichen Einigung zuzuführen (Anlagenkonvolut K 4, Anlagen K 24 und K 26), erklärte die Beklagte am 20.09.2017 gegenüber dem Kläger, sie habe den Versicherungsschutz "aus Anlass des Vergleichsschlusses" nochmals überprüft (Anlage K 7). Demnach sei eine Schadensmeldung erst nach dem am 06.03.2013 abgelaufenen Nachhaftungszeitraum erfolgt. Auch in der Folgezeit lehnte die Beklagte weiteren Deckungsschutz ab (Anlagen K 8, K 10 und K 11).

Der Kläger schloss mit dem Bauträger Dr. K. am 12.02.2019 einen außergerichtlichen Vergleich, in dem er sich zur Abgeltung der im Zusammenhang mit dem betroffenen Bauvorhaben geltend machten Ansprüche zur Zahlung eines Schadenersatzbetrages von 130.000,- EUR verpflichtete (Anlage K 6). Nachfolgend schlossen die Hauptparteien des selbständigen Beweisverfahrens am 16.05.2019 einen Prozessvergleich, wonach der Antragsgegner Dr. K. an die Wohnungseigentümergemeinschaft einen Betrag von 200.000,- EUR zu zahlen hatte (Anlage K 5).

Das Landgericht hat der auf Freistellung von der Zahlungsverpflichtung gegenüber Herrn Dr. K. und von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.611,93 EUR gerichteten Klage ohne Beweisaufnahme überwiegend stattgegeben. Es hat einen Freistellungsanspruch betreffend die Forderung des Herrn Dr. K. in Höhe von 122.330,- EUR sowie hinsichtlich der Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.480,44 EUR zugesprochen. Das Landgericht hat dabei im Wesentlichen darauf abgestellt, dass ein bedingungsgemäßer Versicherungsfall vorliege, der in die Vertragslaufzeit falle und dem die vereinbarte Nachhaftungsfrist von fünf Jahren nicht ...

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