Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterliche Sorge: Übertragung der elterlichen Sorge im Verfahren der einstweiligen Anordnung. Kindeswohl als maßgebliches Kriterium. faktische Präjudizwirkung bei Sorgerechtsentscheidung zum Zwecke des Umzugs ins Ausland
Leitsatz (amtlich)
Bei einem Verfahren auf Übertragung der elterlichen Sorge im Verfahren der einstweiligen Anordnung ist das Kindeswohl auch für die Frage der Dringlichkeit gem. § 49 Abs. 1 FamFG das maßgebliche Kriterium.
An einem dringenden Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden (§ 49 Abs. 1 FamFG) fehlt es regelmäßig, wenn die gesamte elterliche Sorge übertragen werden soll.
Bei einer zum Zweck des Umzugs in das Ausland zu treffenden Sorgerechtsentscheidung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ist im Hinblick auf die Vorläufigkeit ("vorläufige Maßnahme", § 49 Abs. 1 FamFG) zu berücksichtigen, dass mit einen Umzug Fakten geschaffen werden, die sich auf das Kindeswohl gravierend auswirken können, und zudem durch die damit verbundene faktische Präjudizwirkung erheblich in die Grundrechtsposition des anderen Elternteils eingegriffen wird.
Normenkette
FamFG § 49 Abs. 1; BGB § 1671 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
AG Erlangen (Beschluss vom 02.07.2010; Aktenzeichen 6 F 786/10) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Famiüengericht - Erlangen vom 2.7.2010 abgeändert.
Der Antrag des Antragstellers, ihm im Wege der einstweiligen Anordnung die elterliche Sorge für das Kind Paulo Alexandra de Medeiros Tann, geb. am 14.10.2002, zu übertragen, wird zurückgewiesen.
II. Die Gerichtskosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen der Antragsteller und die Antragsgegnerin je zur Häffte. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
III. Der Verfahrenswert beträgt 1.500 EUR.
Gründe
I. Die beteiligten Eltern streiten um die elterlichen Sorge für das gemeinsame Kind. geboren am.
Die Eltern schlössen am ü. in Brasilien die Ehe, wo der Antragsteller sich beruflich aufhielt und die Antragsgegnerin kennen gelernt hatte. Sie ist Brasilianerin und hat drei weitere vom Antragsteller in Brasilien adoptierte Kinder (H. geboren H B^Hl geboren Hund HH^H geborenJd. Diese Adoption wurde in Deutschland nicht anerkannt, weil das Anerkennungsverfahren nicht durchgeführt wurde.
Die Eltern zogen mit den Kindern nach der Eheschließung im August 2004 nach Deutschland und wohnten bis zum Auszug der Mutter im ersten Halbjahr 2009 in H. blieb beim Vater. Die anderen Kinder der IvKrtter leben bei dieser.
Mt Beschluss vom 21.4.2009 (6 F 1607/08) übertrug das AG Erlangen im Einvernehmen mit beiden Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht für Häuf den Vater.
Beim AG - Familiengericht - Erlangen ist das Scheidungsverfahren anhängig (6 F 498/09). In diesem hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 25.5.2010 beantragt, in Abänderung des genannten Beschlusses das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf sie zu übertragen.
Nunmehr hat der Vater die Übertragung der gesamten elterlichen Sorge auf sich beantragt, weil er für mindestens ein Jahr beruflich nach Argentinien will. Er hat dies durch einen Schriftsatz vom 1.6.2010 im Wege der einstweiligen Anordnung beim AG - Familiengericht - Erlangen geltend gemacht und die Eilbedürftigkeit damit begründet, er müsse seinem Arbeitgeber bis spätestens Ende Juni eine verbindliche Mrtteilung machen, ob der Auftrag von ihm durchgeführt werde oder nicht.
Mt Beschluss vom 2.7.2010 hat das AG Erlangen im Wege der einstweiligen Anordnung nach mündlicher Erörterung die elterliche Sorge auf den Vater übertragen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass (bereits seit mittlerweile einem Jahr bei seinem Vater wohne und dieser die Hauptbezugsperson sei.
Die Antragsgegnerin hat gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt. Sie beantragt, den Antrag des Vaters auf Übertragung der elterlichen Sorge unter Aufhebung des Beschlusses des AG zurückzuweisen.
Dies begründet sie insbesondere damit, ein Umzug nach Argentinien würde eine erhebliche Belastung für d. darstellen und insbesondere die Bindung zu ihr und zu den Halbgeschwistern erheblich beeinträchtigen. Sie befürchtet einen völligen Bindungsabbruch, weil sie damit rechnet, dass der Aufenthalt in Argentinien erheblich länger als ein Jahr dauern wird.
II. Das gem. §§ 57, 58 Abs. 1 FamFG statthafte Rechtsmittel der Antragsgegnerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§§ 63, 64 FamFG) eingelegt. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Der Antrag des Vaters auf Übertragung der elterlichen Sorge im Verfahren der einstweiligen Anordnung ist bereits deswegen unter Aufhebung der Entscheidung des AG - Familiengericht - Erlangen zurückzuweisen, weil es an einem dringenden Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden (§ 49 Abs. 1 FamFG) fehlt.
Für die Übertragung der (gesamten) eiterlichen Sorge auf änen Elternteil gem. § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB besteht ein (dringendes) Regeiungsbedürfnis nur ganz ausnahmsweise (Zöller/Feskorn, ZPO, 28. Aufl., § 49 Rz. 16; Schulte-Bunert/Weinreich/Schwonberg, FamFG, 2...