Leitsatz (amtlich)

Die Rechtsprechung des BGH zum materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch hinsichtlich der auf die Verfahrensgebühr anrechenbaren Geschäftsgebühr (vgl. Urt. v. 7.3.2007 - VIII ZR 86/06, in: NJW 2007, 2049 f.) ist auch im Kostenfestsetzungsverfahren anwendbar.

 

Normenkette

RVG-VV Nr. 3100 Vorbem. 3 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 20.07.2007; Aktenzeichen 3 O 9141/06)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 20.7.2007 (Az.: 3 O 9141/06) abgeändert.

Die von der Beklagten an die Klägerin nach dem vorläufig vollstreckbaren Anerkenntnisurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 20.6.2007 zu erstattenden Kosten werden auf 1.309,10 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit 21.6.2007 festgesetzt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 367,90 EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde zum BGH wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten darum, ob im Kostenfestsetzungsverfahren eine wegen desselben Gegenstandes entstandene Verfahrensgebühr von 1,3 in voller Höhe berücksichtigt werden kann, wenn mit der Klage ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch hinsichtlich der vorgerichtlich angefallenen Geschäftsgebühr nur in Höhe des nicht nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 RVG-VV anzurechnenden Teils von 0,65 geltend gemacht wurde. Mit Beschluss vom 20.7.2007 hat das LG Nürnberg-Fürth eine von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensgebühr von 1,3 i.H.v. 735,80 EUR für erstattungsfähig gehalten. Dabei hat es die Auffassung vertreten, dass die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV (Nr. 2400 a.F.) bei der Berechnung der im gerichtlichen Verfahren angefallenen 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu berücksichtigen sei und damit auch nicht zu einer Reduzierung der Verfahrensgebühr führen könne.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer am 3.8.2007 bei Gericht eingegangenen Beschwerde. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH (OLG Nürnberg vom 7.3.2007, NJW 2007, 2049 f.) hält sie die Verfahrensgebühr lediglich i.H.v. 0,65 für erstattungsfähig. Der Rechtspfleger hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 17.8.2007 nicht abgeholfen.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 2 Satz 2 ZPO, insbesondere form- und fristgerecht angelegt, § 569 ZPO, und auch begründet

Der Senat hält die Rechtsprechung des BGH zum materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch (OLG Nürnberg vom 7.3.2007, a.a.O., und vom 14.3.2007, NJW 2007, 2050 ff.) auch auf das Kostenfestsetzungsverfahren für anwendbar. Danach verringert sich dann, wenn gem. Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 RVG-VV eine wegen desselben Gegenstandes entstandene Geschäftsgebühr anteilig auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen ist, nicht die bereits entstandene Geschäftsgebühr, sondern die in dem anschließenden gerichtlichen Verfahren anfallende Verfahrensgebühr. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Anrechnungsvorschrift.

Entgegen der Auffassung des OLG München (Beschl. v. 30.8.2007 - 11 W 1779/07) kann insoweit kein Unterschied zwischen dem materiell-rechtlichen und kosten-rechtlichen Erstattungsanspruch bestehen. Denn im Kostenfestsetzungsverfahren ist ebenso wie im Klageverfahren auf den Wortlaut der Anrechnungsvorschrift in Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV abzustellen. Da es hiernach für die Anrechnung allein darauf ankommt, ob wegen desselben Gegenstandes eine Geschäftegebühr entstanden ist, kann das weitere Parteiverhalten, nämlich ob eine Partei im Rechtsstreit die vorgerichtlich entstandene Geschäftegebühr in voller Hohe als materiell-rechtlichen Erstattungsanspruch geltend macht oder der im Rechtsstreit unterlegene Gegner diese bereits vor Erlass des Kostenfestsetzungsbeschlusses vollständig zahlt, nicht mehr von Bedeutung sein. Denn entstanden ist die Geschäftsgebühr bereits mit der ersten Tätigkeit des Rechtsanwalts nach Erhalt seines Auftrags (Gerold/Schmidt u.a., RVG, 17. Aufl. 2300, 2301 W Rz. 13). Dies führt in einem sich sodann anschließenden Verfahren nach der Anrechnungsvorschrift in jedem Fall zu einer Reduzierung der Verfahrensgebühr, unabhängig davon, in welcher Form die Geschäftgebühr geltend gemacht oder gezahlt wird. Die Anwendung der gesetzlichen Vorschrift kann nicht der Disposition der Parteien überlassen werden. Der insoweit eindeutige und klare Wortlaut der Vorschrift kann auch nicht unter Hinweis auf die zu § 118 Abs. 2 Satz 1 BRAGO praktizierte und von der herrschenden Meinung weiterhin aus Praktikabilitätsgründen befürwortete Festsetzung der vollen Verfahrensgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren umgangen werden. So betont der BGH ausdrücklich, dass Gründe der Prozessökonomie es nicht gestatten können, ein Gesetz gegen seinen klaren Wortlaut anzuwenden. Dies gilt insbesondere deshalb...

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