Leitsatz (amtlich)

Bei einer Einigung im Verfahren auf eine Beschwerde nach § 621e ZPO fällt entsprechend RVG-VV Nr. 1004 eine 1,3 Einigungsgebühr an.

 

Normenkette

RVG-VV Nrn. 1000, 1004; ZPO § 621e

 

Verfahrensgang

AG Nürnberg (Beschluss vom 16.07.2007; Aktenzeichen 110 F 140/06)

 

Tenor

Die Beschwerde der Staatskasse des Freistaates Bayern, vertreten durch den Bezirksrevisor beim AG Nürnberg, gegen den Beschluss des AG - FamG - Nürnberg vom 16.7.2007 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Zwischen ihnen war ein Verfahren nach der Hausratsverordnung auf Zuweisung der Ehewohnung anhängig.

Mit Beschluss des AG vom 1.6.2006 wurde der Antragsgegner verpflichtet, der Überlassung der früheren Ehewohnung an die Antragstellerin ggü. dem Vermieter zuzustimmen. Gegen diese Entscheidung legte der Antragsgegner befristete Beschwerde nach § 621e ZPO ein. Im Termin vom 8.11.2006 vor dem OLG Nürnberg haben die Parteien den Rechtsstreit durch eine Vereinbarung erledigt.

In diesem Termin wurde dem Antragsgegner Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. B.J. beiwilligt.

Mit Schriftsatz vom 9.11.2006 hat Rechtsanwalt Dr. HHB beantragt, die Gebühren und Auslagen gem. § 55 RVG auf insgesamt 993,42 EUR festzusetzen. Dieser Betrag beinhaltet u.a. eine 1,3 Erledigungsgebühr nach §§ 2, 49 RVG, Nr. 1004, 1002 W i.H.v. 262,20 EUR.

Mit Beschluss vom 7.2.2006 hat der Urkundsbeamte die zu zahlende Vergütung auf 922,43 EUR festgesetzt. Zur Begründung ist insoweit ausgeführt, dass die Einigungsgebühr auf einen Satz von 1,0 (= 204 EUR) zu ermäßigen sei. Gegen diese ihm nicht förmlich zugestellte Festsetzung hat Rechtsanwalt Dr. ... mit Schriftsatz vom 28.12.2006, beim AG Nürnberg eingegangen am 3.1.2007, Erinnerung eingelegt. Zur Begründung hat er sich im Wesentlichen darauf berufen, dass nach den Motiven zum RVG in allen Beschwerderechtszügen in der Hauptsache eines streitigen Verfahrens, die mit dem Berufungsverfahren vergleichbar seien, die gleichen Gebühren- anfallen würden, wie im Berufungsverfahren.

Die Vertreterin der Staatskasse ist der Erinnerung entgegen getreten. Sie hat sich auf den Wortlaut der Nr. 1004 des VV zum RVG berufen, wonach die erhöhte Einigungsgebühr von 1,3 nur in einem Berufungs- oder Revisionsverfahren anfalle.

Mit Beschluss vom 16.4.2007 hat der zuständige Familienrichter am AG Nürnberg auf die Erinnerung des Rechtsanwaltes Dr. C. den Festsetzungsbeschluss des AG Nürnberg vom 7.12.2006 dahingehend abgeändert, dass die Rechtsanwalt Dr. J. als Bevollmächtigtem des Antragsgegners zu zahlende Vergütung auf 993,42 EUR festgesetzt wird.

Wegen der Begründung wird auf die Entscheidung Bezug genommen.

Das AG Nürnberg hat die Beschwerde gegen seine Entscheidung zugelassen, weil die Frage, ob die Einigungsgebühr im Verfahren über die befristete Beschwerde 1,0 oder 1,3 beträgt, von grundsätzlicher Bedeutung sei.

Gegen die ihm am 2.5.2007 zugestellte Entscheidung des AG hat der Bezirksrevisor beim AG Nürnberg als Vertreter der Staatskasse mit einem am 7.5.2007 eingegangenen Schreiben vom 4.5.2007 Beschwerde eingelegt.

Mit dieser beantragt er, den Beschluss des AG Nürnberg vom 16.4.2007 aufzuheben und die Einigungsgebühr gemäß W RVG 1003 mit 1,0 auf 204 EUR festzusetzen.

Wegen der Begründung des Rechtsmittels wird auf das Schreiben vom 4.5.2007 Bezug genommen.

Das AG Nürnberg hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Die (gemäß §§ 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 2 RVG) zulässige Beschwerde der Staatskasse hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Einigungsgebühr, für die in Nr. 1000 W RVG grundsätzlich die Höhe von 1,5 einer vollen Gebühr vorgesehen ist, verringert sich nach der Regelung des RVG

  • auf 1,0 einer Gebühr, wenn über den Gegenstand "ein anderes gerichtliches Verfahren als ein selbständiges Beweisverfahren anhängig" ist (vgl. Nr. 1003 RVG-VV) und
  • auf 1,3 einer vollen Gebühr, wenn über den Gegenstand "ein Berufungs- oder Revisionsverfahren anhängig" ist (vgl. Nr. 1004 RVG-VV).

Zu der Frage, ob Nr. 1004 RVG-VV auch dann gilt, wenn wie im vorliegenden Fall, im Zeitpunkt der Einigung eine - nach der Regelung in der ZPO einem Berufungsverfahren weitgehend nachgebildete - Beschwerde in Familiensachen nach § 621e ZPO (hier i.V.m. § 621 Nr. 7 ZPO) anhängig ist, gibt es, soweit ersichtlich, noch keine veröffentlichten obergerichtlichen Entscheidungen. Auch in der Kommentarliteratur wird das Problem, soweit ersichtlich, bisher noch nicht als solches dargestellt und erörtert. Äußerungen wie die von Fraunholz in Riedel/Sußbauer, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 9. Aufl., VV Teil 1, Rz. 11, dass sich die Einigungsgebühr bei Anhängigkeit eines Verfahrens in erster Instanz auf 1,0 und bei Anhängigkeit "in höherer Instanz" auf 1,3 verkürzt, oder bei Göttlich/Mümmler/Rehberg/Xanke, RVG, 2. Aufl., S. 258 unten, dass der Rechtsanwalt bei einer Einigung "in höherer Instanz" eine 1,3 Gebühr nach Nr. 1004 RVG-VV erhält" deuten allerdings darauf hin, dass Nr. 1004 RVG-VV so verstanden wird, dass von...

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