Leitsatz (amtlich)
Auch bei Klagerücknahme sind der beklagten Partei die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen, wenn sich aufgrund neuen Vorbringens im Berufungsverfahren die Erfolglosigkeit der Klage ergibt und die Klagepartei auf entsprechenden Hinweis des Gerichts die Klage zurücknimmt.
Normenkette
ZPO § 97 Abs. 2, § 269 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 9 O 9172/09) |
Tenor
I. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz zu tragen, die Beklagte die Kosten des Berufungsverfahrens.
II. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 28.609,79 EUR festgesetzt.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt i.H.v. 28.609,79 EUR Rückzahlung weitergeleiteter Subventionszuwendungen über 155.108 EUR für von der Beklagten organisierte und durchgeführte Fortbildungsmaßnahmen. Das Erstgericht hat der Klage in der Hauptsache vollständig stattgegeben und nur die Zinsforderung gekürzt. Weitergehende Zahlungsansprüche der Beklagten hat es mangels ausreichender Substantiierung verneint.
Im Berufungsverfahren hat die Beklagte ihre behaupteten weiteren Ansprüche, die in ihren ursprünglichen Abrechnungen nicht enthalten waren, schriftsätzlich näher konkretisiert. Nach Durchführung einer Beweisaufnahme hat der Senat diese zusätzlichen Ansprüche der Beklagten zum größten Teil für erwiesen erachtet und für einen kleineren, noch strittigen Teil eine weitere Beweisaufnahme für erforderlich gehalten, aber auch insoweit bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Berechtigung angenommen. Die Klägerin hat einer Empfehlung des Senats folgend aus Kostengründen ihre Klage zurückgenommen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz, die Beklagte die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, §§ 269 Abs. 3 S. 2 ZPO i.V.m. § 97 Abs. 2 ZPO. Abweichend von dem Grundsatz, dass der Klagepartei die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen sind, weil sie ihre Klage zurückgenommen hat, sind die Kosten des Berufungsverfahrens im vorliegenden Fall in Anwendung des § 97 Abs. 2 ZPO der Beklagten aufzuerlegen, weil sie erst in der Berufungsinstanz ihre zur Verteidigung geltend gemachte Forderung ausreichend dargelegt hat und sich die überwiegende Unbegründetheit der Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme ergeben hat. Der substantiierte Vortrag der Beklagten zur Begründung ihrer Forderung hätte bereits in erster Instanz erfolgen können. Das Erstgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Beklagte genaue Zeitpunkte und Beschreibungen der geleisteten Tätigkeiten weder vorgetragen noch belegt hat. Die Vorlage der Anlagen B 8 bis B 13 in erster Instanz ersetzt keinen substantiierten Sachvortrag. Damit sind die Voraussetzungen des § 97 Abs. 2 ZPO erfüllt. Bei einer Klagerücknahme wäre es ungerechtfertigt, die Klägerin mit Kosten zu belasten, die durch ein vermeidbares Rechtsmittelverfahren entstanden sind. Bei Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung durch Urteil hätte der Senat der Beklagten gem. § 97 Abs. 2 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt. Eine Klagerücknahme nach Beweisaufnahme und einem Hinweis des Senats auf den Erfolg der Berufung stellt ein Obsiegen der Beklagten aufgrund neuen Vorbringens im Sinne dieser Bestimmung dar. § 97 Abs. 2 ZPO ist nicht nur Ausdruck eines allgemeinen Gerechtigkeitsgedankens, sondern begründet eine prozessuale Kostentragungspflicht, die von der Ausnahmevorschrift des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO umfasst wird (vgl. BGH NJW-RR 2005, 1662).
Mit der Erstreckung der Regelung des § 97 Abs. 2 ZPO auf Fälle der Klagerücknahme wird zudem vermieden, dass der Kläger in Bezug auf die Kostentragungspflicht für das Berufungsverfahren schlechter gestellt wäre als ein Kläger, der bei einem Obsiegen des Beklagten aufgrund neuen Vorbringens ein klageabweisendes Berufungsurteil gegen sich ergehen lässt.
Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 3 ZPO liegen nicht vor.
Fundstellen
Haufe-Index 3054370 |
NJW 2013, 243 |
MDR 2012, 932 |
AGS 2013, 92 |