Entscheidungsstichwort (Thema)
Vaterschaftsfestellung: Abstammungsstatute und Günstigkeitsprinzip. Vaterschaftsfeststellung. Abstammungsstatute und Günstigkeitsprinzip
Leitsatz (amtlich)
1. Führen mehrere nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB mögliche Abstammungsstatute zu unterschiedlichen Ergebnissen, entscheidet das Günstigkeitsprinzip (vgl. BayObLG FamRZ 2002, 686). Kommt in einem derartigen Fall eine Vaterschaftsfeststellung nur nach einem ausländischen Recht unter Anwendung des Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB in Betracht, ist eine Rück- oder Weiterverweisung der fremden Rechtsordnung nach Art. 4 Abs. 1 S. 1 letzter Halbsatz nicht zu beachten, da dies dem Sinn des Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB widersprechen würde.
2. Eine Anfechtung der Vaterschaft durch den gesetzlichen Vertreter des Kindes kann im Einzelfall auch dann dessen Wohl dienen, wenn nicht damit zu rechnen ist, dass der wahre Vater ermittelt und dessen Vaterschaft festgestellt werden kann.
Normenkette
EGBGB Art. 4 Abs. 1 S. 1, Art. 19 Abs. 1 S. 3; BGB § 1600a Abs. 4
Verfahrensgang
AG Nürnberg (Beschluss vom 01.03.2005; Aktenzeichen 111 F 488/05) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 24.3.2005 wird der Beschluss des AG - FamG - Nürnberg vom 1.3.2005 (Az.: 111 F 488/05) abgeändert:
Dem Antragsteller wird für die beabsichtigte Anfechtungsklage Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt.
Gründe
I. Der Antragsteller wurde am ...2004 geboren. Seine Mutter ist die deutsche Staatsangehörige M.Y.B. Diese hatte am 26.5.2000 mit dem Antragsgegner, der mazedonischer Staatsangehöriger ist, die Ehe geschlossen. Diese Ehe wurde durch Endurteil des AG - FamG - Nürnberg vom 22.1.2004 (Az.: 111 F 4182/02) geschieden. Dieses Urteil ist seit 30.3.2004 rechtskräftig.
Mit Schreiben vom 11.2.2005 hat der Antragsteller - vertreten durch das Jugendamt der Stadt N. als Ergänzungspfleger - Prozesskostenhilfe für eine Klage beantragt, mit dem Ziel die Vaterschaft des Antragsgegners anzufechten. Zur Begründung beruft sich der Antragsteller darauf, dass der Antragsgegner ausweislich der Geburtsurkunde vom ...2004 als sein Vater gelte. Dies beruhe darauf, dass nach Art. 19 EGBGB die Frage, ob der Antragsgegner sein Vater sei, nach dessen Heimatrecht, d.h. nach mazedonischem Recht, zu beurteilen sei und nach diesem Recht der Antragsgegner auch dann als sein Vater gelte, wenn er (der Antragsteller) innerhalb einer Frist von 300 Tagen nach Beendigung der Ehe geboren worden sei.
Mit Beschluss vom 1.3.2005 hat das AG - FamG - Nürnberg den Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass die beabsichtigte Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass für die Frage der Abstammung des Antragstellers sowohl nach Art. 19 Abs. 1 S. 1 als auch nach Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB deutsches Recht zur Anwendung komme. Bei konkurrierenden Anknüpfungen an alternative Rechtsordnungen sei nach dem Günstigkeitsprinzip diejenige Rechtsordnung maßgeblich, die die günstigste Auswirkung biete. Dass dies bei einem Kind, das in Deutschland lebe, dessen Mutter deutsche Staatsangehörige sei und dessen Vater unbekannten Aufenthalts sei, die deutsche Rechtsordnung sei, bedürfe keiner weiteren Erörterungen. Der Antragsgegner gelte somit nicht als Vater des Antragstellers, so dass es an einem entsprechenden Rechtsschein fehle. Im Übrigen sei auch nicht ersichtlich, dass die Anfechtung dem Wohle des Kindes diene, da der angebliche wahre Vater unbekannt sei. Für eine Feststellungsklage fehle es auch an einem Rechtsschutzbedürfnis, da die Stadt Nürnberg als gesetzliche Vertreterin des Antragstellers es selbst (durch das Standesamt) in der Hand habe, die Geburtsurkunde entsprechend dieser Rechtslage so auszustellen, dass der Antragsgegner nicht als Vater aufgenommen werde.
II. Gegen diesen am 16.3.2005 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit Schreiben vom 24.3.2005, bei Gericht eingegangen am 24.3.2005, sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung beruft er sich im Wesentlichen auf eine Entscheidung des BayObLG vom 11.1.2002 (BayObLG v. 11.1.2002 - 1Z BR 51/01, BayObLGReport 2002, 232 = FamRZ 2002, 686). Nach dieser Entscheidung ist vom sog. Günstigkeitsprinzip auszugehen, wenn bei konkurrierenden Anknüpfungen nach Art. 19 EGBGB alternative Rechtsordnungen in Frage kommen, mit der Folge, dass je nach anwendbarer Rechtsordnung unterschiedliche Personen als Vater festzustellen wären. Am günstigsten sei nach dieser Entscheidung für das Kind die Rechtsordnung, welche dem Kind eine eventuelle Klage erspare und am ehesten zur Feststellung einer Vaterschaft führe. Dies sei im vorliegenden Fall die nach Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB mögliche Anwendung der mazedonischen Rechtsordnung. Im konkreten Fall entspreche es allerdings seinem Wohl am besten, wenn die Feststellung dieser Vaterschaft angefochten werde, da für ihn dann zumindest Klarheit darüber bestehe, dass der Antragsgegner nicht sein Vater sei.
Mit Beschluss vom...