Leitsatz (amtlich)

Zu den Bestimmungen des Rechts des Bundesstaates Kentucky/USA zum Sorgerecht bei unverheirateten Eltern und deren Auslegung im Lichte der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs der USA.

 

Normenkette

HKÜ Art. 3, 12 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Nürnberg (Aktenzeichen 103 F 1388/21)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragsstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nürnberg vom 29.07.2021, Az.: 103 F 1388/21, aufgehoben.

2. Der Antragsgegnerin wird Gelegenheit gegeben, das Kind F... A...S..., geb. am ..., bis zum 25.11.2021 in die Vereinigten Staaten von Amerika zurückzuführen.

3. Führt die Antragsgegnerin das Kind nicht bis zum 25.11.2021 in die Vereinigten Staaten von Amerika zurück, ist sie und jede andere Person, bei der sich das Kind aufhält, verpflichtet, das Kind F... A... S..., geb. am ..., an den Antragsteller oder eine von diesem bestimmte Person zum Zwecke der Rückführung in die Vereinigten Staaten von Amerika herauszugeben.

4. Die Antragsgegnerin wird darauf hingewiesen, dass gegen sie im Falle der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung nach Ziff. 3 dieses Beschlusses ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 25.000 Euro sowie Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angeordnet werden kann.

5. Zum Vollzug von Ziff. 3 (Herausgabe) wird ferner angeordnet:

a) Der Gerichtsvollzieher wird beauftragt und ermächtigt, das in Ziff. 2 genannte Kind der Antragsgegnerin oder jeder anderen Person, bei der es sich aufhält, wegzunehmen und es dem Antragsteller oder einer von ihm bestimmten Person zu übergeben.

b) Der Gerichtsvollzieher wird beauftragt und ermächtigt, zur Durchsetzung der Herausgabe des Kindes unmittelbaren Zwang gegen die Antragsgegnerin oder jede andere auf Grund dieses Beschlusses herausgabepflichtige Person und erforderlichenfalls nach § 90 Abs. 2 FamFG auch gegen das Kind anzuwenden.

c) Der Gerichtsvollzieher wird beauftragt und ermächtigt, zur Durchsetzung des vorliegenden Beschlusses die Wohnung der Antragsgegnerin und die Wohnung jeder anderen Person, bei der sich das Kind aufhält, zu betreten und zu durchsuchen.

d) Der Gerichtsvollzieher wird ermächtigt, die vorgenannten Vollstreckungsmaßnahmen auch zur Nachtzeit sowie an Sonn- und Feiertagen vorzunehmen.

e) Der Gerichtsvollzieher wird ermächtigt, zur Durchsetzung der Anordnungen in diesem Beschluss im Bedarfsfall die Unterstützung der Polizei in Anspruch zu nehmen.

6. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten erster und zweiter Instanz findet nicht statt. Die Gerichtskosten der ersten und zweiten Instanz tragen der Antragsteller und die Antragsgegnerin je zur Hälfte.

7. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers richtet sich gegen eine abschlägige Entscheidung über die Rückführung seines Kindes in den Bundesstaat Kentucky/USA durch das Amtsgericht Nürnberg.

I. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die nicht verheirateten Eltern des Kindes F... A... S..., geb. am .... Der Antragsteller hat die amerikanische Staatsangehörigkeit, die Antragsgegnerin und das Kind haben sowohl die amerikanische als auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Eltern waren und sind nicht miteinander verheiratet.

Die Eltern lebten nach der Geburt des Kindes noch einige Monate zusammen in den USA, im Bundesstaat Kentucky. Nach der Trennung betreuten die Beteiligten das Kind zu gleichen Teilen, wobei F... von Mittwoch bis Samstagabend oder Sonntag früh beim Antragsteller und von Sonntag bis Mittwoch früh bei der Antragsgegnerin lebte.

Der Antragsteller macht geltend, er habe am Mittwoch, den 06.05.2020 festgestellt, dass die Antragsgegnerin das Kind gegen seinen Willen nach Deutschland verbracht habe, um hier auf Dauer mit dem Kind zu leben. Eine Adresse, unter der sich die Antragsgegnerin mit dem Kind in Deutschland aufhalte, habe er nicht. Dadurch habe die Antragsgegnerin das Mitsorgerecht des Antragstellers verletzt. Nach Kap. 405 des Familiengesetzbuches des Staates Kentucky "Kentucky Revised Statutes" stehe den Eltern die elterliche Sorge für minderjährige Kinder gemeinsam zu. Der Antragsteller habe das ihm zustehende Mitsorgerecht auch tatsächlich ausgeübt und das Kind hälftig betreut. Das Kind habe seinen bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsort in den USA gehabt und sei gem. Art. 12 Abs. 1 S.a, 3 HKÜ dorthin zu verbringen.

Durch seine Verfahrensbevollmächtigte beantragte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 30.04.2021, beim Amtsgericht eingegangen am selben Tag, beim Amtsgericht Nürnberg - Familiengericht - folgendes:

1. Die Herausgabe des Kindes F... A... S..., geb. am ..., an den Antragsteller zum Zwecke der sofortigen Rückführung des Kindes in die USA wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin oder jede andere Person, bei der sich das Kind aufhält, ist verpflichtet, das vorgenannte Kind an den Antragsteller oder eine von ihm bestimmte Person herauszugeben.

2. Der Gerichtsvollzieher wird beauftragt, das Kind der Antragsgegnerin wegzunehmen und es dem Antragsteller oder ein...

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