Leitsatz (amtlich)
1. Kann ein Belegarztvertrag nach seinen Bestimmungen ordentlich und ohne Angabe von Gründen gekündigt werden, ist die Angabe eines möglicherweise unzutreffenden Kündigungsgrundes für die Wirksamkeit der Kündigung unschädlich.
Das Recht zur ordentlichen Kündigung ermöglicht grundsätzlich, ein Dauerschuldverhältnis unabhängig von der Qualität der dahinterstehenden Gründe zu beenden. Parteien, die nicht mehr "miteinander können", können ihre Bindung durch ordentliche Kündigung beenden, ohne sich über die Bewertung von Gründen streiten zu müssen.
2. Die vereinbarte Kündigungsfrist eines Belegarztvertrags von sechs Monaten begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Normenkette
BGB § 26
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 10 O 7234/18) |
Tenor
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20. März 2019, Az.: 10 O 7234/18, wird zurückgewiesen.
II. Die Kläger haben samtverbindlich die Kosten der Berufung zu tragen.
III. Das in Ziffer I genannte Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth und dieser Beschluss sind vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 400.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Kläger wenden sich gegen die Kündigung eines Belegarztvertrages.
Unter dem 16. Dezember 2010 schlossen die Beklagte und die Klägerin zu 1) den streitgegenständlichen "Belegarztvertrag und Kooperationsvertrag" (Anlage B 1). In dessen Ziff. X - Vertragsdauer war geregelt:
"1. Der Vertrag tritt am 01.01.2011 in Kraft. Er wird auf unbestimmte Zeit geschlossen.
2. Der Vertrag kann beiderseitig mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende gekündigt werden. Zwischen den Parteien besteht Einvernehmen, dass weder arbeitsrechtliche noch mietrechtliche Schutzvorschriften Anwendung finden ..."
Mit gleichlautenden Schreiben vom 27. Juni 2018 (Anlagen K 2, K 3) kündigte die Beklagte den Belegarztvertrag zum 31. Dezember 2018.
Die Kündigungsschreiben lauteten auszugsweise wie folgt:
"Vorstand ... sind glaubhaft in Kenntnis gesetzt worden, dass der Verdacht gegen Sie, Herr Dr. ... besteht, in den Praxisräumen ... am ... einen Schreibtisch aufgebrochen zu haben, um ein OP-Buch zu entwenden und eine Festplatte aus einem PC mit auch die Klinik betreffenden Patientendaten unerlaubt ausgebaut zu haben ...
Ihr Verhalten, der aktuell bestehende Tatverdacht und die daraus folgenden Konsequenzen, waren Gegenstand einer ausführlichen Diskussion in einer Sitzung von Vorstand und Klinikleitung ...
Auch nach dem durchgeführten Anhörungsgespräch können die Gesellschafter und die Klinikleitung der ... GmbH diesen Vorfall aufgrund der oben beschriebenen Auswirkungen nicht unbeachtet lassen.
Der Vorstand und die Klinikleitung kommen zu folgendem Ergebnis:
- Das Ihnen, Herr Dr. ..., zur Last gelegte Verhalten hat unmittelbare negative Auswirkungen auf die Klinik.
- Mehrfach haben wir Sie in schriftlicher und mündlicher Form bereits auf ihr fehlerhaftes Verhalten in der Vergangenheit hingewiesen u. a. zuletzt in der Abmahnung vom 29.01.2018.
- Vorstand und Klinikleitung sehen sich aufgrund des mit dem Verdacht verbundenen Vertrauensverlustes nicht in der Lage, derzeit eine Zusammenarbeit fortzusetzen, als ob nichts geschehen wäre.
- Weder der Klinikleitung, noch den Arztkollegen und dem Klinikpersonal ist es zumutbar, mit Ihnen unter diesen Umständen zusammenzuarbeiten.
- Als Konsequenz aus den gegen Sie bestehenden Vorwürfen wurde beschlossen:
Der ggf. bestehende Belegarztvertrag vom 16.12.2010 mit Ihnen, der ... MVZ GbR und der Praxisgemeinschaft Dres. ... als Alleingesellschafter des ... MVZ sowie - rein vorsorglich - der GbR, bestehend aus der damaligen ... MVZ GbR und Dr. ..., wird entsprechend Ziffer X.2 zum 31.12.2018 ordentlich und fristgerecht gekündigt."
Die Kläger behaupten, die Vorfälle, die die Beklagte zur Begründung der Kündigung anführen, hätten sich so nicht ereignet.
Die Kläger meinen, dass zwar der streitgegenständliche Belegarztvertrag ordentlich ohne Angabe von Gründen mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende gekündigt werden könne. Im konkreten Falle seien jedoch Kündigungsgründe in schriftlicher Form mitgeteilt worden. Die Beklagte habe damit zu erkennen gegeben, dass sie die Kündigungsgründe trotz deren grundsätzlicher Entbehrlichkeit zugrunde legt. Sie habe sich damit eine Selbstbindung auferlegt und sei demgemäß auch gehalten, die Konsequenzen zu ziehen, wenn der von ihr verwendete Grund für die Beendigung der Zusammenarbeit tatsächlich nicht besteht. Demgemäß erweisen sich nach Auffassung der Kläger die Kündigungen vom 27. Juni 2018 als unwirksam. Die Kündigung verstoße gegen Treu und Glauben und sei sittenwidrig.
Die Kündigung sei auch aus formellen Gründen unwirksam, da diese nicht an den Kläger zu 2) adressiert gewesen sei und die erforderliche Zustimmung ...