Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfolglose Unterlassungsklage gegen die Bezeichnung einer Vollmilch als "frische Weide-Milch"
Leitsatz (amtlich)
Art. 7 Abs. 1 LMIV enthält für den Lebensmittelbereich ein umfassendes Irreführungsverbot. Im Hinblick auf die Zielrichtung dieses besonderen Irreführungsverbots ist § 5 UWG in dessen Anwendungsbereich ausschließlich nach dem Maßstab des besonderen Irreführungsverbotes auszulegen.
Normenkette
UWG §§ 3a, 5 Abs. 1 Nr. 1; LMIV Art. 7 Abs. 1a, Art. 8 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Amberg (Urteil vom 11.07.2016; Aktenzeichen 41 HK O 333/16) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Amberg vom 11.07.2016, Az. 41 HK O 333/16, abgeändert.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die gegen ihn gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 150.000.00 EUR festgesetzt.
Gründe
A Die Beklagte, ein bundesweit agierender Discounter, vertreibt im Rahmen ihres Lebensmittelsortiments eine als "frische Weide-Milch" bezeichnete Vollmilch. Neben dieser Bezeichnung befindet sich auf dem Etikett der Flasche auf der "Schauseite" die Abbildung grasender Kühe. Das rückseitige Etikett enthält u.a. den Passus "bei diesem Produkt handelt es sich um 100 % Weidemilch. Unsere Weidemilch stammt von Kühen, die mindestens 120 Tage im Jahr und davon mindestens 6 Stunden am Tag auf der Weide stehen "Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die im Tenor des angefochtenen Urteils abgebildete Ausstattung Bezug genommen.
Tatsächlich stammt die Milch ausschließlich von Kühen, die an mindestens 120 Tagen im Jahr und davon mindestens 6 Stunden am Tag auf der Weide stehen.
Der Kläger, ein Wettbewerbsverband, hält die Bewerbung als Weide-Milch gemäß §§ 3, 3a, 5, 8 UWG i.V.m. Art. 7 Abs. 1a LMIV für unlauter und nimmt die Beklagte deswegen auf Unterlassung in Anspruch. Die Werbung sei irreführend, weil die Milch von Kühen stamme, die hur 120 Tage, je 6 Stunden, im Jahr auf der Weide stünden, den Rest der Zeit jedoch im Stall. Es handele sich daher um einen Saisonartikel, der aber ganzjährig angeboten werde. Die Zusatzangaben auf der Rückseite der Verpackung könnten die Irreführungsgefahr nicht beseitigen. Der Verbraucher erwarte aufgrund der Bezeichnung und der Abbildung von grasenden. Kühen, dass die angebotene Milch von Milchkühen stamme, die vor dem Melken auf der Weide gestanden hätten und dementsprechend frei und ausgiebig hätten grasen können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das LG hat der Klage stattgegeben. Die geltend gemachten Unterlassungsansprüche seien nach § 8 Abs. 1 S. 1 UWG i.V.m. §§ 3, 3a, 5 UWG, Art. 7 Abs. 1a LMIV begründet. Durch den Vertrieb von Milch unter der Bezeichnung "frische Weide-Milch", die von Kühen stamme, welche nur an mindestens 120 Tagen im Jahr an mindestens 6 Stunden täglich auf der Weide stünden, wobei aber nicht gewährleistet sei, dass sie tatsächlich am Tag der Melkung oder am Vortag dort gewesen seien, verstoße die Beklagte gegen Art. 7 Abs. 1a LMIV und führe dadurch die Verbraucher irre. Für die Bezeichnung "Weide-Milch" sei es nach dem Verbraucherverständnis erforderlich, dass die konkret verpackte und angebotene Milch tatsächlich, von Kühen stamme, die sich am Tag der Melkung oder am Vortag mindestens 6 Stunden auf der Weide befunden hätten. Dabei handele es sich um ein konkret produktbezogenes Merkmal i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG, über das beim Käufer eine Fehlvorstellung hervorgerufen werde. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass auf der Rückseite der Verpackung wahrheitsgemäß angegeben werde, dass die streitgegenständliche Milch von Kühen stamme, die lediglich mindestens 120 Tage im Jahr und davon mindestens 6 Stunden am Tag auf der Weide stünden. Die blickfangmäßig hervorgehobene objektive Unrichtigkeit auf der Vorderseite könne beim Verbraucher nicht durch eine Klarstellung in einem bloß kleinen Aufdruck auf der Rückseite beseitigt werden. Die Beklagte könne sich auch nicht auf Art. 8 Abs. 3 LMIV berufen, da sie die Mindestweidezeiten der milchgebenden Kühe gekannt habe. Dem Wortlaut nach habe sich ihr daher aufdrängen müssen, dass eine derartige Milch nicht als "Weide-Milch" vertrieben werden durfte.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen weiterhin die Abweisung der Klage erstrebt. Sie meint, das LG habe seiner Entscheidung ein falsches Verbraucherleitbild zugrunde gelegt. Der Verbraucher gehe nicht davon aus, dass die Weidemilch von Kühen stamme, die jeden Tag im Jahr vor der Melkung auf der Weide gesta...