Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz
Verfahrensgang
LG Regensburg (Urteil vom 11.11.1964; Aktenzeichen 3 O 178/63) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Regensburg vom 11.11.1964 wird als unbegründet zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat auch die Kosten des zweiten Rechtszuges zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Vollstreckungsschutzantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.
Beschluss:
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 7.386,55 DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger nehmen die beklagte Gemeinde wegen einer behaupteten Amtspflichtverletzung ihres Bürgermeisters auf Schadensersatz in Anspruch, die darin erblickt wird, daß der Bürgermeister ein die Kläger begünstigendes Nottestament fehlerhaft errichtete, so daß die Kläger nicht Erben wurden.
Der bei den Klägern seit 1947 unentgeltlich untergebrachte und verpflegte Heimatvertriebene F. N., der 1947 ein verwitweter Rentner von 64 Jahren war, wollte im Januar 1963, als er schwer erkrankt war, seine langjährige Zusage wahr machen und die Kläger zum Dank für deren gute Behandlung testamentarisch als Alleinerben einsetzen. Da er mit seinem Ableben rechnete, selbst aber kein privatschriftliches Testament mehr aufsetzen konnte, versuchte die Klägerin M. F. auf Wunsch des N. den zuständigen Notar B. aus R. fernmündlich herbeizurufen. Der Notar erklärte sein Kommen wegen der starken Schneeverwehungen für unmöglich und verwies die Klägerin an den Bürgermeister der Beklagten, in deren Gemeindebezirk das landwirtschaftliche Anwesen der Kläger liegt.
Bürgermeister L., ein den Dienst des Bürgermeisters ehrenamtlich versehender Landwirt, wollte zunächst die Mappe mit den Unterlagen für die Errichtung von Nottestamenten in seiner Gemeindekanzlei holen. Da bei der Entfernung zwischen seiner Wohnung und der Kanzlei von 4 km und den schweren Schneeverwehungen hierdurch ein empfindlicher Zeitverlust eingetreten wäre, begab sich L. auf Drängen der Kläger ohne die Arbeitsmappe an das Krankenlager des N.. Am 28.1.1963 kurz nach Mittag errichtete er dort das Nottestament des N. mit folgendem wesentlichen Inhalt:
„Nach meinem Ableben ist die Familie F. in W. Nr. 81 berechtigt, über mein Hab und Gut zu verfügen. Meine Guthaben bei der R. in F., bei der V. S. F. und bei der P. sind zu verwenden für Begräbniskosten und Grabstein.”
Dieses Testament unterschrieben der Erblasser N., Bürgermeister L. und die von L. hinzugezogenen Zeugen P. und J. F. Bei J. F. handelte es sich um den Kläger zu 1), der im Testament als Miterbe bedacht ist. Um 14.30 Uhr des gleichen Tages starb N.. Das Nachlaßgericht vertrat den Standpunkt, daß das Nottestament wegen Mitwirkung eines Zeugen, der als Erbe eingesetzt werden sollte, nichtig sei und erteilte am 4.2.1964 einen Erbschein auf Grund gesetzlicher Erbfolge für 8 Verwandte des N. (vgl. Bl. 34 der Nachlaßakten R. V–VI 20/63).
In Voraussicht dieser Entscheidung erhoben die Kläger bereits im September 1963 Schadensersatzklage gegen die Beklagte mit dem Vorbringen, Bürgermeister L. habe durch die fehlerhafte Errichtung des Nottestaments in grob fahrlässiger Weise seine Amtspflichten verletzt und die Kläger dadurch schwer geschädigt. Das bei 3 Bankinstituten angelegte Nachlaß vermögen des N. habe 7.386,55 DM betragen. Das vorhandene Bargeld von 176,– DM sei von ihnen zur Deckung der Begräbniskosten mitverwendet worden.
Die Kläger haben in erster Instanz beantragt:
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger DM 7.386,55 Schadensersatz nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 28.1.63 zu bezahlen.
II. Die Beklagte hat die Kosten zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte hat
Klageabweisung
beantragt und ein Verschulden des Bürgermeisters bestritten. Er habe keine Zeit mehr gehabt, aus der 4 km entfernten Gemeindekanzlei die Nottestamentsmappe zu holen. Nach der Errichtung des Testaments habe er sie dann geholt. Als er mit der Mappe zurückgekommen sei, sei Neumann schon tot gewesen. Das Nottestament sei zwar nichtig, den Bürgermeister treffe aber der Vorwurf der Fahrlässigkeit nicht. An ihn könnten nur die Anforderungen wie an einen pflichtgetreuen Durchschnittsbeamten gestellt werden. Die Kläger könnten aber auch auf andere Weise Ersatz erlangen, indem sie ihre Ansprüche wegen der an N. gewährten Unterkunft und Kost gegen die gesetzlichen Erben verfolgten. Wegen der vom Landgericht beigezogenen Nachlaßakte und der Beweiserhebung wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Das Landgericht hat folgende Entscheidung erlassen:
I. Die Beklagte hat an die Kläger 7.386,55 DM (i.W.: siebentausenddreihundertsechsundachtzig 55/100 Deutsche Mark) nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 28.1.1963 zu bezahlen.
II. Die Beklagte hat die Kosten zu tragen.
III. Das Urteil ist gegen eine von den Klägern zu leistende Sicherheit in Höhe von 8.500,– DM (i.W.: achttausendfünfhundert Deutsche Mark) vorläufig vollstreckbar.
In den Entscheidungsgründen, auf die im übrigen Bezu...