Leitsatz (amtlich)
1. Ein Unterlassungsantrag, der auf die Verletzung des Persönlichkeitsrechts gestützt wird, muss anhand des Sachvortrags eindeutig erkennen lassen, welchen Umfang er haben soll.
2. Beschränkt ein Antragsteller einen nach diesen Kriterien zu unbestimmten und damit prozessual unzulässigen Antrag auf die im Unterlassungsantrag als Beispielsfall genannte konkrete Verletzungshandlung, ist dies prozessual als teilweise Klagerücknahme mit der entsprechenden Kostenfolge zu werten.
3. Die Rechtmäßigkeit eines Presseberichtes ergibt sich nicht schon daraus, dass er wörtlich einer Agentur-Meldung entnommen wurde.
Normenkette
BGB §§ 823, 1004; ZPO § 92 Abs. 1, § 253 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Regensburg (Urteil vom 25.07.2006; Aktenzeichen 1 O 1386/06) |
Tenor
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Endurteil des LG Regensburg vom 25.7.2006 - 1 O 1386/06 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziff. I. des genannten Urteils abgeändert wird wie folgt:
Der Antragsgegnerin wird untersagt, über den Antragsteller im Zusammenhang mit dem Mord an WS Junter voller Namensnennung zu berichten, wie in dem verfahrensgegenständlichen Presseartikel im Straubinger Tagblatt vom 8.6.2006 geschehen.
Von den Kosten des Verfügungsverfahrens in 1. und 2. Instanz tragen der Antragsteller 1/3 und die Antragsgegnerin 2/3.
Beschluss:
Der Streitwert wird zugleich unter Abänderung des Streitwertbeschlusses des LG Regensburg vom 25.7.2006 für beide Instanzen auf je 25.000 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Der Antragsteller wurde 1993 wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Opfer war der bundesweit bekannte Schauspieler WS. 2006 entschied das zuständige LG nach Erholung eines psychiatrischen Gutachtens, die Vollstreckung der Reststrafe ab November 2006 zur Bewährung auszusetzen. Auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft war diese Entscheidung vom zuständigen OLG aufgehoben und an das LG zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen worden. Über diesen Vorgang berichtete eine regionale Tageszeitung, deren Verlegerin die Antragsgegnerin ist, am 8.6.2006 unter voller Namensnennung von Opfer und Täter.
Auf einen entsprechenden Verfügungsantrag des Antragstellers hin ist der Antragsgegnerin vom LG untersagt worden, "über den Antragsteller im Zusammenhang mit dem Mord an W.S in identifizierender Weise, insbesondere bei voller Namensnennung zu berichten, wie aus Anlage 1 ersichtlich". Bei der Anlage 1 handelt es sich um den im vollen Wortlaut wiedergegebenen Zeitungsartikel.
Die Antragsgegnerin hat dagegen Berufung eingelegt. Im Berufungsverfahren hat der Antragsteller nun den Antrag gestellt, der Antragsgegnerin zu untersagen über den Antragsteller im Zusammenhang mit dem Mord an W S unter voller Namensnennung zu berichten, wie in dem verfahrensgegenständlichen Presseartikel im Straubinger Tagblatt vom 8.6.2006 geschehen.
Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird nach § 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.
B.I. Der Antragsteller hat einen Anspruch auf die von ihm nun beantragte Unterlassung:
1. Dieser Anspruch folgt aus §§ 1004, 823 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG. Auch bei verurteilten Mördern bietet das Persönlichkeitsrecht grundsätzlich Schutz vor einer zeitlich unbeschränkten Berichterstattung durch die Medien. Nach den auch das hier erkennende Gericht bindenden zwei Grundsatzentscheidungen des BVerfG (Lebach I - BVerf-GE 35, 202 ff. und Lebach II - BVerfG v. 25.11.1999 - 1 BvR 248/98, 1 BvR 755/98, NJW 2000, 1859 ff.) ist ein Mord derart persönlichkeitsbestimmend und prägend, dass ein Mörder mit dieser Tat praktisch lebenslang weiter identifiziert wird.
In den beiden genannten Entscheidungen hat das BVerfG das Resozialisie-rungsinteresse auch eines solchen Täters in den Vordergrund gestellt und dessen Störung als Anknüpfungspunkt für eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts bejaht. Genau dieses Resozialisierungsinteresse ist durch den vorliegenden Artikel unmittelbar betroffen. Denn die eigentliche Tat liegt inzwischen 15 Jahre, die Verurteilung selbst 13 Jahre zurück. Der hier streitgegenständliche Zeitungsbericht beschäftigt sich überdies mit einem laufenden und im Ergebnis noch offenen Verfahren, in dem die Entlassung des Täters nach dessen langer Inhaftierung zu klären ist. Eine Haftentlassung ist immerhin in erster Instanz bejaht worden. Dann aber ist es mit den vom Erstgericht teilweise wörtlich wiedergegebenen Grundsätzen des BVerfG nicht zu vereinbaren, auch einen rechtskräftig verurteilten Mörder mit vollem Namen zu nennen. Es ist zwar durchaus richtig, dass die Öffentlichkeit ein Interesse daran hat, zu erfahren, dass und nach welchem Maßstäben wegen Mordes verhängte lebenslange Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt werden können. Dem ist im vorliegenden Fall jedoch auch ohne Namensnennung des Täters genüge getan, zumal sich der Antragsteller ohnehin nicht gegen eine Berichterstattung wendet, in der der volle Name des Opfers mitgeteilt wird, also der interessierte Leser durch entsprechende Recherche...