Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung des Kindergeldes bei „privilegierten” volljährigen Kindern
Leitsatz (redaktionell)
Im Hinblick auf den klaren Wortlaut des § 1612b Abs. 5 BGB findet keine entsprechende Anwendung auf sog. „privilegierte” volljähriger Kinder statt.
Normenkette
BGB § 1612b Abs. 5
Verfahrensgang
AG Nürnberg (Urteil vom 27.05.2004; Aktenzeichen 101 F 68/04) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des AG - FamG - Nürnberg vom 27.5.2004 (Az.: 101 F 68/04) wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist in Ziff. II. für den Beklagten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 700 EUR abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 1.363,00 EUR.
Gründe
I. Der am 9.9.1985 geborene Kläger ist ein ehelicher Sohn des Beklagten. Die Eltern des Klägers leben getrennt. Der Kläger lebt im Haushalt seiner Mutter. Er ist Schüler und erzielt kein Einkommen.
Der Beklagte zahlt an den Kläger seit Oktober 2003 monatlichen Unterhalt i.H.v. 273 EUR. Über diesen Betrag hat er auch am 20.4.2004 eine Jugendamtsurkunde errichten lassen. Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Beklagte nach seinen Einkommensverhältnissen verpflichtet ist, an den Kläger Unterhalt aus der 4. Altersstufe der Einkommensgruppe 2 der Düsseldorfer Tabelle, somit derzeit 350 EUR, zu zahlen. Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte berechtigt ist, von diesem Betrag das hälftige Kindergeld für ein 1. Kind i.H.v. derzeit 77 EUR in Abzug zu bringen.
Der Kläger ist der Auffassung, dass für ihn als sog. "privilegiertes" volljähriges Kind § 1612b Abs. 5 BGB anzuwenden sei, mit der Folge, dass eine Anrechnung des Kindergeldes zu unterbleiben hätte, soweit der Beklagte außerstande ist, Unterhalt i.H.v. 135 % des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung zu leisten.
Der Kläger hat daher nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe in erster Instanz zuletzt beantragt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab 1.5.2004 monatlich weiteren Unterhalt i.H.v. 77 EUR, fällig jeweils im Voraus zum 1. des Monats, zu bezahlen (in Ergänzung der durch die Stadt Nürnberg am 20.4.2004 ausgestellten Urkunde, Urkundennummer 915/2004).
2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Unterhaltsrückstand für den Zeitraum vom 1.10.2003 bis 30.4.2004 i.H.v. 539 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 1.5.2004 zu bezahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er beruft sich darauf, dass § 1612b Abs. 5 BGB auf sog. "privilegierte" volljährige Kinder nicht anzuwenden sei.
II. Mit Endurteil vom 27.5.2004 hat das AG - FamG - Nürnberg die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass das auf den Kläger entfallende Kindergeld nach § 1612b Abs. 1 BGB beim Beklagten zur Hälfte anzurechnen sei, weil § 1612b Abs. 5 BGB auf sog. "privilegierte" volljährige Kinder nicht zur Anwendung komme.
Gegen dieses am 9.6.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 14.6.2004., beim OLG Nürnberg eingegangen am 21.6.2004, Berufung eingelegt und diese unter Hinweis auf Literatur und Rechtsprechung damit begründet, dass § 1612b Abs. 5 BGB entsprechend anzuwenden sei. Er beantragt daher im Berufungsverfahren, den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung entsprechend seinen erstinstanzlichen Anträgen zu verurteilen.
Der Beklagte beruft sich für seinen Antrag auf Zurückweisung der Berufung darauf, dass insoweit keine Gesetzeslücke vorliege, und deshalb eine entsprechende Anwendung des § 1612b Abs. 5 BGB nicht zulässig sei.
Beide Parteien haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt. Durch Verfügung des Vorsitzenden wurde daraufhin verfügt, dass Schriftsätze bis zum 15.0 7.2004 eingereicht werden können, und Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 29.7.2004 bestimmt.
III. Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.
Der Senat ist der Auffassung, dass der Wortlaut des § 1612b Abs. 5 BGB so klar und eindeutig ist, dass eine möglicherweise wünschenswerte entsprechende Anwendung auf sog. "privilegierte" volljährige Kinder auszuscheiden hat. Dies ergibt sich bereits daraus, dass § 1612b Abs. 5 BGB davon ausgeht, dass der geschuldete Unterhalt in Vomhundertsätzen nach der Regelbetrag-Verordnung zu bestimmen ist. Dies ist jedoch nach § 1612a Abs. 1 BGB ausschließlich bei minderjährigen Kindern zulässig. An dieser eindeutigen gesetzlichen Regelung ändert sich nichts dadurch, dass in der Düsseldorfer Tabelle neben den gesetzlich geregelten 3 Altersstufen gem. § 1612a Abs. 3 BGB Unterhaltsbeträge für eine (gedachte) 4. Altersstufe ab dem 18. Lebensjahr vorgesehen sind, und dass diese Beträge durch die Aneinanderreihung mit den jeweils geschuldeten Beträgen der 1. bis 3. Altersgruppe aus der gle...