Leitsatz (amtlich)
Bei Anhaltspunkten für einen manipulierten Verkehrsunfall muss der klagende Geschädigte den Nachweis führen, dass sich das behauptete haftungsbegründende Verkehrsgeschehen an dem geschilderten Unfallort zur angegebenen Zeit ereignet hat.
Zweifel an der Unfalldarstellung sind auch dann begründet, wenn die Schäden an den beteiligten Fahrzeugen zwar kompatibel sind, diese aber nur durch ein ungewöhnliches Fahrmanöver herbeigeführt worden sein können.
Normenkette
BGB § 823; StVG § 7 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 24.11.2010; Aktenzeichen 2 O 10390/09) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 24.11.2010 geändert. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 20.175 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aus einem behaupteten Verkehrsunfall geltend, der sich am ... 2009 gegen ... Uhr in N. in der Straße Y-Platz ereignet haben soll.
Das LG hat die Beklagte zur Zahlung von 20.175 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.12.2009 sowie weiterer außergerichtlicher, nicht festsetzbarer und nicht anrechenbarer Anwaltskosten i.H.v. 554,42 EUR verurteilt.
Zur Begründung hat das LG ausgeführt, dass der Schaden am Fahrzeug der Klägerin, Pkw Mercedes Benz, amtl. Kennzeichen ... in vollem Umfang durch den Fahrer und Halter des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw Lancia, amtl. Kennzeichen ... D. C. verursacht worden sei. Die Klägerin könne daher den Wiederbeschaffungswert verlangen. Das LG kam nach Durchführung der Beweisaufnahme nicht zu dem Ergebnis, dass sich das Unfallgeschehen nicht so ereignet hat, wie es die Klägerin von Anfang an geschildert hatte. Die Angaben der beiden Zeugen seien widerspruchsfrei und glaubhaft. Sie seien auch mit der Unfallanalyse des Sachverständigen H. in Einklang zu bringen.
Ergänzend wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Mit der Berufung gegen das landgerichtliche Urteil verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Es sei fraglich, ob überhaupt ein Unfall vorliege. Die Gesamtumstände seien zweifelhaft. Das Gericht habe die Beweislast verkannt, die Angaben der Zeugen nicht kritisch hinterfragt und die genannten Indizien nicht in ihrer Gesamtheit gewürdigt.
Die Beklagte hat im Termin vom 28.11.2011 vor dem Senat die ursprünglich bestrittene Aktivlegitimation der Klägerin unstreitig gestellt.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der bereits erstinstanzlich vernommenen Zeugen K. und C. im Termin vom 30.5.2011 und die Erholung eines schriftlichen unfallanalytischen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. Dr. G. Der Sachverständige wurde zudem mündlich angehört.
II. Die zulässige Berufung ist begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 7 Abs. 1 StVG, § 823 BGB, § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG.
Eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG, § 823 BGB setzt voraus, dass der Betrieb eines Kraftfahrzeugs adäquat kausal zu einem Schaden geführt hat. Für diesen Kausalzusammenhang ist die Klägerin mit dem strengen Maßstab des § 286 ZPO beweispflichtig, da die Beklagte bestritten hat, dass sich der von der Klägerin geschilderte Unfall am ... 2009 am Y-Platz in N. tatsächlich ereignet hat (vgl. Geigel, Haftpflichtprozess, 26. Aufl. 2010, Kapitel 25 Rz. 9, 249; OLG Saarbrücken NJW-RR 2010, 326). Dieser Beweis ist der Klägerin nicht gelungen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bestehen valide, nicht auszuräumende Zweifel, ob es an der von der Klägerin beschriebenen Örtlichkeit zu dem konkret geschilderten Unfallereignis gekommen war. Ohne die Anforderungen an den Nachweis des äußeren Schadensereignisses zu überspannen, bestehen an der Glaubhaftigkeit der Schilderung des behaupteten Unfallgeschehens deshalb Zweifel, weil mehrere Umstände vorliegen, die nach anerkannter Rechtsprechung Beweisanzeichen dafür sind, dass der Geschädigte mit einer Schädigung einverstanden war (vgl. OLG Rostock NJOZ 2010, 2263; OLG Schleswig NJW-RR 2011, 176).
1. Zunächst spricht die Art der beteiligten Fahrzeuge für eine Unfallmanipulation. Bei dem beschädigten Mercedes ... handelt es sich um ein hochpreisiges, älteres Fahrzeug (ursprünglicher Neupreis im Jahr 2001 über 100.000 EUR). Dieses Fahrzeug wurde nur etwa drei Monate vor dem geltend gemachten Unfall erworben und zwei bis drei Wochen nach dem Unfall wieder verkauft. Die Klägerin konnte weder für den Erwerb noch für die Weiterveräußerung Kaufverträge vorlegen....