Leitsatz (amtlich)
1.
Der "Spezialist" muss in der von ihm beworbenen beruflichen Tätigkeit qualitativ weit über den Mitbewerber herausragen. Er muss auf seinem speziellen Rechtsgebiet über herausragende Kenntnisse und Erfahrungen verfügen, welche ihm ein "Wald- und Wiesenanwalt" oder auch ein Fachanwalt nicht bieten kann.
2.
Soweit ein Rechtsgebiet durch eine Fachanwaltschaft abgedeckt ist, scheidet für dieses Rechtsgebiet eine Selbstbewertung als "Spezialist" schon deshalb aus, weil die hohen Anforderungen, welche an den Spezialisten gestellt werden, angesichts der Fülle der Rechtsgebiete, welche durch die Fachanwaltschaft abgedeckt werden, aus der Natur der Sache heraus nicht erfüllt werden können.
3.
Es ist ein Unterschied, ob ein Gewerbetreibender marktschreierisch seine Ware anpreist oder ein Rechtsanwalt seine Leistungen als Organ der Rechtspflege.
4.
Der "Spezialist" ist für die strengen Anforderungen, welche sich aus den Entscheidungen des BVerfG (NJW, 2004, 2656) und des OLG Nürnberg (BeckRS 2007, 07073) ergeben, darlegungs- und beweispflichtig.
5.
Die Rechtsanwaltskammern sind - wie jeder Berufskollege - befugt, den wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch gegen ihre Mitglieder bei unzulässiger Selbstbezeichnung als "Spezialist" gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 3, § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG ohne weitere Voraussetzungen vor den Zivilgerichten durchzusetzen.
6.
"Spezialisten" wird es also künftig nur noch geben können in sehr beschränkten Rechtsbereichen, beispielsweise "Spezialist für Waffenrecht" oder "Spezialist für Unterhaltsrecht".
Verfahrensgang
LG Regensburg (Entscheidung vom 26.10.2006; Aktenzeichen 1 HKO 1284/06) |
Tenor
1.
Die Berufung des Bekl. gegen das Endurteil des LG Regensburg vom 26. 10. 2006 wird zurückgewiesen.
2.
Der Bekl. trägt die Kostendes Berufungsverfahrens.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
A.
Die Kl. macht gegen den Bekl. einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch geltend.
Der Bekl. Ist als Rechtsanwalt Mitglied der Kl., der Rechtsanwaltskammer in Nürnberg. Er führt die Fachanwaltsbezeichnung "Fachanwalt für Arbeitsrecht" und "Fachanwalt für Strafrecht".
Im Brachentelefonbuch "Gelbe Seiten" 2006/2007 war folgender Eintrag vorhanden:
Versicherungsrechtsspezialist
geprüfter Absolvent des Fachanwaltslehrganges für Versicherungsrecht d. Instituts für angewandtes Recht
Auch auf seinem anwaltlichen Briefkopf bezeichnet sich der Bekl. als "Versicherungsrechtsspezialist" mit dem gleichlautenden Sternchenzusatz wie in den "Gelben Seiten".
Die Kl. hat in erster Instanz den Standpunkt vertreten, dass diese Bezeichnung aus drei Gründen irreführend sei:
Es bestehe Verwechslungsgefahr zwischen der in der BORA, ausdrücklich vorgesehenen Bezeichnung "Fachanwalt für Versicherungsrecht" und der vom Bekl. selbst entwickelten Bezeichnung "Versicherungsrechtsspezialist". Bereits die Tatsache, dass der Bekl. zwei Fachanwaltschaftsqualifizierung an erworben habe, schließe es aus, dass er zusätzlich auch noch die Qualifikation, als Spezialisten auf dem Gebiet des Versicherungsrechts erwerben könne. Ein echter Versicherungsrechtsspezialist müsse zudem über eine deutlich höhere Qualifikation als ein Fachanwalt für Versicherungsrecht verfügen. Eine solche habe der Bekl. jedoch nicht nachweisen können. Die im Sternchenzusatz genannte erfolgreiche Absolvierung des, dort genannten Fachanwaltschaftslehrganges genüge dafür nicht.
Der Bekl. vertritt die Ansicht, auf Grund der Entscheidung des BVerfG vorn 28. 7. 04, Az.: 1 BvR 159/04 wäre es verfassungswidrig, ihm das Recht abzusprechen, mit der Bezeichnung "Versicherungsspezialist" zu werben. Auch genüge zur Führung dieser Bezeichnung; eine geringere Qualifikation als die für die Bezeichnung eines Fachanwalts für Versicherungsrecht. Im Übrigen sehe § 7 I Satz 2 BORA nach Ihrem Wortlaut die Bezeichnung "Spezialist" vor. Danach müssten zur Legitimierung dieses qualifizierenden Zusatzes theoretische Kenntnisse sowie eine praktische Tätigkeit in erheblichen Umfang vorliegen. Aus § 56 I S. 1 BRAO i.V. mit § 24 II BORA ergebe sich, dass es der Kl. obliege, die entsprechenden qualifizierten Nachweise in theoretischer und praktischer Hinsicht zu benennen Und dann von ihm anzufordern. Dies sei jedoch nicht erfolgt.
Das Erstgericht hat dem Klageantrag stattgegeben und sich im Wesentlichen der Argumentation der Kl. angeschlossen: Aus der Entscheidung des BVerfG ergebe sich, dass es nicht möglich sei, sich, wie der Bekl. als Versicherungsspezialist und zugleich als Fachanwalt für Strafrecht und Verkehrsrecht anzubieten. Im Übrigen liege auch in der Sache kein Spezialistentum vor, da die Angaben des Bekl. über einen Tätigkeitsbereich keineswegs alle Fragen des Versicherungsrechts abdeckten. Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung, der in erster Instanz, gestellten Anträge sowie des genauen Verfahrensablaufs einschließlich des Erlasses des Versäumnisurteils...