Leitsatz (amtlich)
Auch die längerfristige Sperrung einer Kreisstraße wegen verzögerter Bauarbeiten beeinträchtigt einen Gewerbebetrieb (Diskothek), der etwa zehn Kilometer von der Baustelle entfernt an einer von der gesperrten Kreisstraße abzweigenden Straße liegt und weiterhin über eine zumutbare Umleitung erreichbar bleibt, nur mittelbar. Entschädigungsansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff können im Falle der Femwirkung einer Baumaßnahme bei einer hierdurch bedingten Existenzgefährdung des Betriebes in Betracht kommen.
Der BGH hat die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers mit Beschluss vom 29.7.2010 zurückgewiesen (Az. Kl ZR 5/10)
Normenkette
GG Art. 14; BGB § 839 i.V.m. Art. 34 GG; BayStrWG Art. 17
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 30.06.2009; Aktenzeichen 4 O 11288/08) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 30.6.2009 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 34.751,93 EUR festgesetzt (Antrag zu I: 25.742,17 EUR, Antrag zu II: 9.009,76 EUR).
Gründe
I. Der Kläger macht Ersatzansprüche wegen Verzögerungen beim Straßenbau geltend.
Der Kläger betreibt seit 1997 im Ortsteil H. der Stadt B den "Z", einen Live-Musik-Club. Aus Richtung L ist die Gaststätte über die Kreisstraße L zu erreichen.
In der Zeit vom 1.8.2005 bis Dezember 2008 war ein Teilstück dieser Kreisstraße wegen des Baus einer neuen Brücke über die Autobahn gesperrt. Die Umleitung bedingte für Besucher des Musik-Klubs, die aus Richtung L kommen eine Wegverlängerung vonl, 9 Kilometern (Die Umleitungsstrecke beträgt 6,7 Kilometer, die gesperrte Teilstrecke 4,8 Kilometer). Das Ende der Bauarbeiten war zunächst auf Ende 2006 (Vortrag des Klägers) bzw. Mai 2007 (Vortrag des Beklagten) veranschlagt worden.
Der Kläger behauptet, dass Ursache der Verzögerung Fehler bei der statischen Berechnung der Brücke und eine Falschlieferung von Rohren gewesen sei; dies müsse sich der Beklagte zurechnen lassen. Die Umleitungsstrecke sei unzureichend gewesen; die schmale Fahrbahn habe sich in einem schlechten Zustand befunden; da der Seitenstreifen auch nach einer Asphaltierung im Frühjahr 2006 nicht befahrbar gewesen sei, sei ein Passieren entgegenkommender Fahrzeuge schwierig gewesen. Diese Zufahrtserschwernisse hätten zu einem erheblichen Umsatzrückgang geführt, der existenzgefährdend geworden sei. Für die Jahre 2007 und 2008 berechnet der Kläger den ihm hierdurch entstandenen Schaden mit 25.742,17 EUR.
Der Kläger hat in erster Instanz beantragt:
1. Der Beklagte wird verurteilt an den Kläger einen Betrag i.H.v. 25.742,17 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte auch jeden weiteren Schaden zu tragen hat, der bei dem Kläger durch die Verzögerung des Brückenbaus A, BW und der Kreisstraße L ab dem 1.1.2009 eintritt.
3. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag i.H.v. 1.307,81 EUR auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängig-keit zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Bauverzögerungen erklärt der Beklagte mit Meinungsverschiedenheiten zwischen Prüfungsingenieur und Statiker; es seien vielfältige Prüfungen erforderlich gewesen. Etwaige Fehler statischer Berechnungen seien dem Beklagten nicht zuzurechnen, Die Umleitungsstrecke sei ausreichend gewesen; sie habe keine starken Schäden aufgewiesen. Es fehle zudem an einer schlüssigen Darlegung des geltend gemachten Schadens. Insbesondere sieht der Beklagte keine Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Schaden.
Das LG, auf dessen tatsächliche Feststellungen und Darlegungen des Parteivortrages in erster Instanz gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ergänzend Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen. Ein Anspruch aus Amtspflichtverletzung scheide aus, weil die dem Beklagten obliegende Straßenbau last lediglich der Allgemeinheit gegenüber bestehe und den einzelnen Straßen- und Wegbenutzern keine Ansprüche gebe. Ein Anspruch aus § 8a Abs. 4 Fernstraßengesetz scheitere daran, dass weder Zufahrt noch Zugang zum Grundstück des Klägers unterbrochen worden seien. Einen Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff hat das Erstgericht verneint, weil der Beklagte weder in das durch Art. 14 GG geschützte
Eigentum des Klägers am Grundstück noch in das Recht des Klägers am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb unmittelbar eingegriffen habe. Der Verlust eines Lagevorteils aufgrund einer Straßenänderung falle nicht unter den Schutzbereich des Art. 14 GG. Eine Änderung ...