Leitsatz (amtlich)

Mit dem Billigkeitseinwand (§ 315 BGB) gegenüber der Höhe einer Preisänderung verbunden mit der Erklärung, künftig lediglich eine Preiserhöhung i.H.v. 2 % zu zahlen (sog. "Sicherheitsaufschlag"), liegt eine konkludente Erklärung dahingehend vor, sich der einseitigen Leistungsbestimmung durch die andere Seite unter Vorbehalt der Billigkeitsprüfung zu unterwerfen.

 

Normenkette

BGB § 315

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 23.10.2009; Aktenzeichen 4 HKO 9057/08)

BGH (Aktenzeichen VIII ZR 34/11)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 22.02.2012; Aktenzeichen VIII ZR 34/11)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des LG Nürnberg-Fürth vom 23.10.2009 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen

 

Gründe

I. Die Beklagte ist ein regional tätiger Energieversorger. Seit 1979 ist der Kläger als Privatkunde an das Gasversorgungsnetz der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin angeschlossen. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Preiserhöhungen, die die Beklagte seit 1998 vorgenommen hat.

Mit Schreiben vom 9.11.1979 bestätigte die damalige B GmbH dem Kläger, ihn in Zukunft mit Gas zu versorgen. Aufgrund der Leistung seiner Anlage werde er in den Tarif 096 eingestuft. Zugleich wurden monatliche Abschlagszahlungen vereinbart. Für den Fall, dass sich der Gasverbrauch im Laufe eines Jahres wesentlich verändert, sollte eine Anpassung der Abschläge möglich sein. Wörtlich heißt es weiter:

"Bei einer größeren Abweichung des angenommenen Verbrauchs erfolgt auch eine Überprüfung der Tarifeinstufung ... Mit gleicher Post gehen Ihnen unsere derzeit gültigen Tarifpreise und die Preisrichtlinien für Sondervertragskunden zu."

Die beigefügten sog. Allgemeinen Tarifpreise der Beklagten vom 1.10.1979 sahen unter I.1. einen sog. Kleinstverbrauchs- und Grundpreistarif für den Haushaltsbedarf und unter I. 2. einen sog. Kleinstverbrauchs- und Grundpreistarif für Gewerbe und sonstigen Gasverbrauch vor.

Unter I.1. und I. 2. war jeweils angefügt, dass für größere Abnahmemengen Sonderbedingungen eingeräumt werden. Über den Abschluss entscheide der Gasversorger. Der dem Kläger eingeräumte Tarif ... ist in den Preisrichtlinien für Sondervertragskunden vom 1.10.1979 aufgeführt. Diese enthalten zusätzlich unter Nr. 5 die folgende Formulierung:

"Im Übrigen gelten die Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Gas aus dem Versorgungsnetz".

Ein Abdruck dieser Bedingungen wurde dem Kläger nicht übermittelt. Die Beklagte ist als Rechtsnachfolgerin der B GmbH in dieses Vertragsverhältnis eingetreten.

In der Folgezeit bezog der Kläger Gas von der Beklagten und bezahlte bis Ende Oktober 2004 (letzte Rechnung vom 13.10.2004) trotz mehrfacher jeweils öffentlich bekannt gemachter Tarifänderungen alle seine Rechnungen.

Mit Einschreiben vom 25.1.2005 teilte er der Beklagten mit, dass er die verkündeten Erhöhungen der Erdgaspreise für unbillig nach § 315 BGB halte. Zugleich forderte er die Beklagte auf, ihre Berechtigung für einseitige Preiserhöhungen nachzuweisen. Im Weiteren heißt es wörtlich:

"Ich fordere Sie hiermit auf, mir die Erforderlichkeit und die Angemessenheit der Preiserhöhung durch nachvollziehbare und prüffähige Offenlegung ihrer Kalkulationsgrundlagen nachzuweisen, insbesondere die Steigerung Ihrer Bezugs- und sonstigen Kosten und den Anteil dieser Kosten am Gesamtpreis. Bis sie Ihren Nachweis erbracht haben, zahle ich nur den alten Preis zzgl. eines Sicherheitsaufschlags von 2 %."

Zugleich widerrief der Kläger eine der Beklagten erteilte Einzugsermächtigung. Die folgenden Rechnungen bezahlte er nur noch unter Vorbehalt.

Die Beklagte hat gegenüber dem Kläger in der Folgezeit auf der Grundlage eines als Sonderpreis 2 bezeichneten Tarifs abgerechnet und dabei die Preise mehrfach geändert. Die Jahresabrechnungen vom 13.10.2005 und 13.10.2006 enthielten jeweils eine Bezugnahme auf die AVBGasV sowie die jeweils gültigen Tarifpreise.

Im August 2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die AVBGasV, die - aus ihrer Sicht - bisher Bestandteil des Liefervertrages gewesen sei, seit dem 8.11.2006 nicht mehr gelte. An ihre Stelle sei die verbraucherfreundlichere GasGVV getreten, die nunmehr Vertragsinhalt sein solle.

Insoweit sei eine Vertragsanpassung erforderlich. Um eine Zustimmung werde gebeten. Werde diese verweigert, gelte ab dem 1.10.2007 der Allgemeine Tarif für die Grundversorgung. Da die "Preisrichtlinien für Sondervertragskunden" günstiger seien, werde eine Zustimmung empfohlen. Zugleich wurde der Kläger über das neue ab 1.4.2007 geltende Tarifsystem unterrichtet. Darin waren sog. Allgemeine Preise für die Grundversorgung zu 8,96 bis 5,88 ct/kWh und Preise für Sondervertragskunden vorgesehen, die unter der Überschrift Preisrichtlinien für Sondervertragskunden zusammengefasst waren und als Sonderpreis (SP) 1 bis Sonderpreis (SP) 3 bezeichnet wurden. Diese Preise lagen zwischen 5,63 ct./kWh und 5,17 ct/kWh. Die ...

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